Ich wage mal die Prognose, dass dieser „Tatort“ im nächsten Jahr bei allen verbliebenen Fernsehpreisen mindestens in die engere Wahl für eine Nominierung kommt. Dafür sprechen die Ingredienzien. Axel Milberg ist in seiner hintergründigen Art sowieso immer gut für eine Ehrung, Lars Eidinger ist Kritikers Liebling, und wenn dann noch Sascha Arango (Buch) und Claudia Garde (Regie) in den Credits stehen und das Ganze als Thriller anlegen, dann dürfte dem Erfolg wenig im Wege stehen.

In der Tat ist vieles gut gedacht in diesem Krimi, der seinen Namen verdient, weil er den Zuschauer in Atem hält, weil er die Räume ebenso eng macht wie die psychische Verfassung der Akteure. Offiziell gilt dieser Film als Fortsetzung einer „Tatort“-Folge von 2012, die das Erste am Freitagabend noch einmal wiederholt hat. Da lief „Borowski und der stille Gast“ und zeigte Eidinger als irren Serienmörder, den Borowski zwar einholen und schwer verletzen konnte, aber letztlich entkommen lassen musste. So ein offenes Ende ist ungewöhnlich in des Deutschen liebster Sonntagsreihe. Er ist es nicht gewöhnt, am Abend die Dinge unfertig zu lassen. Man geht doch lieber mit abgeschlossenen Fällen in die neue Woche.

In „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ taucht der von Eidinger gespielte Irre nun wieder auf. Aus einer Tiefkühltruhe am Strand steigt eine Frau, die er lange in Gefangenschaft hielt, die nun komplett verstrahlt den Kommissaren Auskunft gibt, bevor sich herausstellt, dass ihr ein Kind aus dem Mutterleib geschnitten wurde. Sie stirbt. Der „Tatort“ hat seine Tote. Das gehört so.

Erst ist Borowski unwillig, zu ermitteln. Er will heiraten, die Psychologin vom Dienst. Gemeinsam sind sie auf Wohnungssuche, aber je deutlicher wird, dass der Irre wieder da ist, desto unruhiger wird Borowski. Als der Irre schließlich seine zukünftige Gattin entführt, gibt es kein Entrinnen mehr, beginnt das Duell zwischen böse und nicht ganz so böse.

Dieser Film spielt mit dem Gedanken, dass der Polizist dem Verbrechen näher ist als andere Menschen. Das wird deutlich, als Borowski seiner Schwiegermutter in spe erklärt, dass er früher eigentlich Verbrecher werden wollte, dass er dann aber gemerkt habe, dass er der Faszination des Verbrechens am nächsten kommt, wenn er es als Ermittler aufklären soll. Es deutet sich an: Auch dieser gutmütige Melancholiker hat eine dunkle Seite.

In der Folge entspinnt sich ein bizarres Duell zwischen dem Irren und dem Kommissar. Da bedroht der eine den anderen und dann der andere den einen. Angelegt wird das als wirre Hetzjagd, meist aber als Kammerspiel, bei dem sich zwei äußerlich komplett gegensätzliche Existenzen ihrer Gemeinsamkeiten versichern. Das ist in vielen Szenen gut erdacht und inszeniert. Allerdings birgt die Konstellation auf der langen 89-Minuten-Strecke auch die Gefahr, sich ständig steigern zu müssen und dabei die Wucht zu verlieren.

Für ein paar Fernsehpreise wird das reichen. Für meine Begeisterung hat es nicht gereicht. Das liegt insbesondere an Milberg und Eidinger, die vielfach überagieren und ihren Figuren keine Chance zur Uneindeutigkeit lassen. Sie geben dem Affen derart viel Zucker, dass es rasch von allem zu viel wird. Insbesondere Eidinger sollte sich mal Gedanken machen, ob es wirklich gut ist, immer den Durchgeknallten zu spielen. Man weiß doch inzwischen: Der Eidinger kann so viel, und wenn er auftritt, dann ist irgendwer irre.

Aber auch Milberg verliert sich im Overacting. Er will seinem Borowski das Entsetzen in die Handlung implantieren, schlägt aber letztlich nur wild um sich und wirkt dadurch an manchen Stellen nur noch albern. Wenn dann noch ein paar Thriller-Ingredienzen dazu kommen wie etwa die tausendfach gelernte Lektion, dass ein Totgeglaubter niemals wirklich tot ist, dass er immer nochmal von irgendwoher auftaucht, dann nimmt dieses aufgeplusterte Stadttheaterexperiment endgültig die falsche Spur, dann geht es auf die schwer abschüssige Bahn.

Ich würde diesem Film keinen Fernsehpreis geben, weil sich das angestrebte Grauen zwar einstellte, aber nicht wegen der Thriller-Elemente, sondern wegen des übermäßigen Wollens aller Akteure. Aber ich bin ja nur ich und habe keine Ahnung. Den Rest muss das Publikum entscheiden.