Die Posse um die Nominierung von Xavier Naidoo für den Eurovision Song Contest ist um eine Facette reicher. Wie die "Bild"-Zeitung erfahren haben will, soll nicht der lautstarke öffentliche Protest der Grund für den Rückzieher gewesen sein, sondern Kritik aus den eigenen Reihen. Einem Bericht zufolge sollen 40 Mitarbeiter einen Brief an die Senderleitung geschickt haben: Darin warfen sie dem NDR vor, Naidoo verpflichtet zu haben, obwohl er mit Antisemitismus, Homophobie und Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht würde.

"Wir festangestellte Redakteure und Redakteurinnen des Bereiches Zeitgeschehen und Kultur und Dokumentationen haben die Entscheidung mit Unverständnis und Fassungslosigkeit aufgenommen", zitiert "Bild" aus dem internen Schreiben. "Diese Entscheidung beschädigt das Ansehen der ARD und damit unser aller Arbeit nachhaltig." Auch Mitarbeiter in leitenden Positionen sollen hinter dem Schreiben gestanden haben, das offenbar zu einem Umdenken an der Spitze des Senders führte. Am Samstag hatte der NDR erklärt, Naidoo doch nicht zum ESC nach Stockholm schicken zu wollen - nur zwei Tage nach Bekanntwerden der Nominierung.

Die Entscheidung des NDR hatte auch innerhalb der ARD für Wirbel gesorgt. So kritisierte ARD-Programmdirektor Volker Herres in der "Welt am Sonntag" den Alleingang des NDR. Naidoo habe "mehrfach Äußerungen getätigt, die man nicht gutheißen kann und missbilligen muss" - ob ihn das für eine Teilnahme am ESC disqualifiziere, hätte daher im Vorfeld kontrovers diskutiert werden müssen. "Ich hätte es begrüßt, wenn diese Diskussion ARD-intern hätte geführt werden können, bevor mit der Nominierung Fakten geschaffen wurden. So ist das alles sehr unglücklich gelaufen."

ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber vom NDR, der den ESC innerhalb der ARD verantwortet, räumte bereits ein, von der "Wucht der Reaktionen" überrascht worden zu sein. In einem Radiointerview verwies er außerdem auf negative internationale Pressestimmen. Völlig unklar bleibt zum jetzigen Zeitpunkt, wie der NDR nun stattdessen den deutschen Vertreter für den Eurovision Song Contest ermitteln lassen will. Auch die Frage, ob dem NDR durch den mit Naidoo geschlossenen Vertrag ein finanzieller Schaden droht, bleibt bislang noch unbeantwortet.

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