Die wandelnde Unabhängigkeitsgarantie vom Rhein hat zur großen Sause geladen. An Bord der MS Loreley wird am Dienstag Abend gefeiert. Angesagt hat sich, was in Nordrhein-Westfalen Rang und Namen hat, bis hin zur Ministerpäsidentin Hannelore Kraft. Sie und die wandelnde Unabhängigkeitsgarantie sind seit Jahren per Du.

Paragraph 31a des NRW-Landesmediengesetzes schreibt den reichweitenstärksten Privatsendern vor, Regionalfensterprogramme auszustrahlen - und diese müssen redaktionell unabhängig sein. Im Fall von RTL hat die Gesetzeslage Jörg Zajonc zur wandelnden Unabhängigkeitsgarantie gemacht. Nicht nur, weil er als Minderheitsgesellschafter 25 Prozent der Anteile an RTL West hält. Als Journalist und TV-Manager setzt Zajonc hinter sein Auftreten stets ein solches Ausrufezeichen, dass wohl keiner auf die Idee käme, er würde sich von Anke Schäferkordt oder Frank Hoffmann etwas sagen lassen.

 

"Wir haben uns vom einstigen regulatorischen Feigenblatt über eine lange Phase der Duldung hin zum regelmäßigen, fruchtbaren Austausch mit der Mediengruppe RTL Deutschland entwickelt", sagt der RTL-West-Geschäftsführer im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Inzwischen werden wir nicht nur geduldet, sondern sogar gemocht." Einer dieser typischen Zajonc-Sätze, untermalt mit leicht schelmischem Grinsen. Kurz drauf fällt ein weiterer: "Das heutige Miteinander von RTL und RTL West spricht dafür, dass eine Vernunftbeziehung manchmal nicht das Schlechteste ist."

Hätte RTL die freie Wahl, würde der Sender nicht unbedingt auf die Idee kommen, in ein tagesaktuelles Regionalmagazin zu investieren. Er tut es ja auch nur dort, wo er muss, in Hessen oder Norddeutschland etwa und eben in der nordrhein-westfälischen Heimat. Das führt dazu, dass Zajonc mit seiner 45-köpfigen Firma im Hauptquartier der Mediengruppe am Kölner Rheinufer sitzt. Je nach Nachrichtenlage liefert man sich gegenseitig zu, aber bei der inhaltlichen Gestaltung der halben Stunde ab 18 Uhr darf RTL nicht mitreden. Das Gesetz sichert Zajonc sogar zu, dass sein Vertrag nicht ohne weiteres gekündigt werden darf.

Jörg Zajonc© RTL West
Fast zeitgleich mit dem 25-jährigen Jubiläum des Regionalfensters, das früher mal Tele West hieß, kann er sein 20-jähriges als Geschäftsführer feiern. Er gehört quasi zum Inventar. So eine Situation verführt dazu, auch mal größere Töne zu spucken. Zum Beispiel in seinen Kommentaren, die er etwa alle zwei Wochen in die Sendung einstreut und die den YouTube-Kanal von RTL West füllen. Eine kleine Viralkarriere machte im Herbst 2014 sein erboster Rant gegen einen Fahrdienst für Frauen in Bergisch Gladbach (O-Ton Zajonc: "Gleichberechtigung ist Diskriminierung mit anderen Vorzeichen").

"Unser tägliches Ziel ist es, Journalismus mit Haltung zu machen - meinungsbildend, aber nicht meinungsmachend", beschreibt Zajonc seine Maßgabe für RTL West. Zum gehobenen Boulevardmix von Rhein und Ruhr lässt er jeden Tag mindestens ein größeres Politik- bzw. Wirtschaftsthema beimischen. Für Reputation und Relevanz, auch wenn es der Quote nicht gut tut. Für die alljährlichen "Sommerpläusche" mit NRW-Spitzenpolitikern setzt er sich selbst vor die Kamera. "Wir wollen das Feld der regionalen Information nicht allein dem WDR überlassen", so Zajonc. "Ich finde es wichtig, dass es eine alternative Stimme gibt." Um der Medienaufsicht die erwünschte Vielfalt unter die Nase zu reiben, lässt er bei jedem Beitrag Schriftbanner mit Kategorien wie "Politik", "Wirtschaft" oder "Ereignis" einblenden.

Doch der robuste Vollblutjournalist und begeisterte Karnevalist ruht sich nicht nur auf den Lorbeeren der Gegenwart aus. Jüngst hat er seine Mannschaft einen kräftigen Schritt in Richtung Medienzukunft getrieben. Neben der werktäglichen TV-Sendung produziert RTL West seit April 90-sekündige "Nachrichten für unterwegs", die via Facebook und Twitter verbreitet werden und speziell für mobile Nutzung gedacht sind. Zwischen 500 und 1.200 Abrufe zähle man täglich, so Zajonc. Hinzu kommt eine vergleichsweise aktive Twitter-Präsenz der RTL-West-Reporter sowie regionale Breaking News, die über WhatsApp verschickt werden. "Heute wäre es nicht mehr zeitgemäß, mit allen Infos und Videos bis 18 Uhr zu warten", sagt der Regionalboss. "Durch unser starkes Social-Media-Engagement ziehen wir manch jüngeren Nutzer aus dem Netz rüber, den wir ansonsten gar nicht mit unserer Sendung erreicht hätten."

Mit einiger Regelmäßigkeit gelingt es Zajonc sogar, neben dem Geldausgeben im Sinne der Regionalinformation seine RTL-West-Kasse als Werbezeitenverkäufer aufzubessern. Innerhalb der 30 vorabendlichen Regionalminuten schaltet RTL eine nationale Werbeinsel, die von der IP Deutschland vermarktet wird. Doch je nach Auslastung bleiben bis zu 90 Sekunden für regionale Werbung. Da greift der Chef gern selbst zum Telefon und überredet Mittelständler aus seinem Sendegebiet, es doch mal mit TV-Spots zu probieren. Dem Vernehmen nach sind in Folge des Zajonc'schen Lockangebots - 5.000 Euro Mediakosten plus 5.000 Euro für die Spotproduktion durch RTL West - bereits mehrere Kunden auf Dauer hängen geblieben. Investiert werden die Mehreinnahmen in zusätzliche Außenübertragungen und Live-Einsätze.

Wer nun dem Vorurteil aufsitzt, einer wie Zajonc könne keine Demut, muss nur das Büro des umtriebigen Managers betreten. Dort fällt als erstes eine große Digitaluhr ins Auge, die im Countdown Tage, Stunden, Minuten und Sekunden bis zum 30. Juni 2018, 18 Uhr runterzählt. "Unsere letzte Sendung", erklärt Zajonc bedeutungsvoll. Und meint damit das Auslaufen der gegenwärtigen Sendelizenz. Mit der Uhr hat er stets vor Augen, dass die Verlängerung der Zulassung um weitere fünf Jahre durch Leistung verdient sein will. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn die wandelnde Unabhängigkeitsgarantie vom Rhein nicht auch zum 30-Jährigen einlädt.