Der Moritz grantelt in einer Tour, die Bibi klatscht ins Wasser, dass es sich gewaschen hat, und eine superkluge Wiener Professorin fragt, warum die Kommissare in Österreich immer Namen aus Kinderbüchern haben. Sie können sich halt schön selbst auf den Arm nehmen, diese Österreicher. Sie lieben es eben, wenn sich die Handlungssträuße so richtig schön blumig entfalten, wenn man hierhin und dorthin und dann auch noch dahin blicken muss, um halbwegs den Überblick zu behalten. Und dann stehen sie am Ende da, und der Moritz fragt: „Alles okay?“, woraufhin die Bibi in ihrem schnoddrigen Depressivmoll die einzig mögliche Antwort gibt: „Alles ist nie okay.“

Gäbe es einen Preis für den unübersichtlichsten Fall in einem „Tatort“, dann hätte diese Episode ziemlich gute Chancen, am Ende auf dem Treppchen zu stehen. Es geht quer durch die Landschaften, quer durch die Zeiten, und dass etliche der Dialoge dem niederösterreichischen Zungenschlag frönen, trägt auch nicht gerade zum raschen Verständnis bei. Da wünscht man sich erst ganz dringend Untertitel, aber dann begreift man irgendwann, dass es eh nicht auf jedes Detail ankommt, dass man ohnehin nicht wird mithalten können mit dem Ermittlungszug, der immer schon abgefahren ist, wenn man einen Bahnhof, den man versteht, erreicht hat.

Es geht halt um die Stimmung, die da herrscht am Grenzflüsschen, wo Niederösterreich und die Tschechoslowakei lange durch den Eisernen Vorhang getrennt waren, wo sich früher ziemlich gruselige Dinge abgespielt haben, die nun zu Tage treten und Schuld auf beiden Seiten der Grenze offenbaren.

Es geht um Archäologen, die Steinzeitausgrabungen betreiben und plötzlich mitansehen müssen, wie ein Kanut mit seinem Bötchen umkippt und mausetot im Wasser des Grenzflusses treibt. Es stellt sich heraus, dass er mit dem tschechischen Geheimdienst zu tun hatte. Es geht um Dinge, die um 1968 stattfanden, als Menschen vor den russischen Panzern in den Westen fliehen wollten und sich jenseits der tschechischen Grenze sicher fühlten. Sie erzählten ihren Rettern alles, bis sie irgendwann kapierten, dass sie reingelegt wurden, dass die Staatspolizei einfach eine vorgelagerte Grenze eingerichtet hatte, hinter der sich alle Fliehenden in Sicherheit wähnten. Und jene, die es trotzdem über das Flüsschen schafften, gerieten rasch an jene, die für die CSSR spionierten.

Rupert Henning hat das Buch geschrieben und sich damit als Regisseur vor eine ziemliche Herkulesaufgabe gestellt. Die Frage, was denn nun erzählt werden soll, beantwortet er anfangs eher uneindeutig. Geht es um den Toten, geht es um die verhuschten Eingeboren, die alle schauen, als ob sie etwas zu verheimlichen haben, oder geht es gar um die Ermittler mit den Kinderbuchnamen? Die Antwort fällt auch nach Ende des Films nicht leicht, weil Henning die Handlungsstränge verknüpft, verschlingt und dann nicht mehr so ganz sauber auseinanderbekommt.

Aber darauf kommt es irgendwann auch nicht mehr an. Irgendwann ist man halt drin in diesem Film, der eher einer Milieustudie als einem richtigen Krimi gleicht. Irgendwann versteht man sogar ein bisschen Niederösterreichisch, und irgendwann fühlt man mit dem Moritz und der Bibi, die so fasziniert sind von ihren Außeneinsätzen, die sie fernhalten von den in ihren Büros aufragenden Aktenalpen. Sie wollen einfach raus, wollen sehen, wie die Welt strukturiert ist, wenn sie nicht so strukturiert ist wie sie soll.

Dass die Handlung dabei auf realen Geschehnissen fußt und der Film jenen gewidmet ist, die beim Versuch, den Eisernen Vorhang zu überwinden, ums Leben kamen, gibt dem Ganzen eine zusätzliche Wucht. Am Ende sitzt man da und weiß, dass man gerade keinen gewöhnlichen „Tatort“ gesehen hat.