Herr Milberg, wie haben Sie reagiert als Sie das Thema des Films erfuhren?

Mir schossen sofort diverse Drogenfilme durch den Kopf, die mit einem erzieherischen Impuls daherkommen – gut gemeint und so. Derlei wäre zu wenig.

Was ist stattdessen wichtig?

Gute Unterhaltung, Spannung und sich dem Thema von verschiedenen Seiten zu nähern. Wir haben gründlich recherchiert, miteinander gesprochen, währenddessen immer wieder innegehalten.



Können Sie das genauer erklären?

Da ist unter anderem ein junges Mädchen, kein geborenes Opfer, sie ist gesund und munter, könnte Borowskis Tochter sein -  oder die Tochter derjenigen, die sich den Tatort anschauen. Keiner kann sagen: „Ja, so eine!, wie die schon aussieht, och nö, dat wundert mich ja gar nicht, dat is' nun wirklich nich' schad' drum.“ Nein, uns geht es darum, den Verlust spürbar zu machen: Wenn es die jetzt erwischt, wenn die nicht wegkommt vom dem Zeug, dann wäre das unheimlich traurig. Es muss wehtun. 

Sie sagten mal, jede Seite eines Drehbuches müsse Sie überraschen, sonst tauge es nichts. Herr Milberg, hat Sie das Drehbuch überrascht?

Es gibt ja stets mehrere Fassungen. Insgesamt war es ein Annäherungsprozess. Man muss sich immer wieder verständigen, zumal jeder einen anderen Geschmack hat. Nachdem ich die erste Version gelesen hatte, sagte ich: „Das ist 'ne tolle Szene, lass uns von dieser guten Szene ausgehen, sie soll ausstrahlen auf alles Weitere.“  Wir haben uns aber auch die Frage gestellt: Könnte es ein solches Dorf in Schleswig-Holstein tatsächlich geben, mit all diesen rätselhaften Typen? Oder haben wir das etwa überzeichnet?

Wie lautete die Antwort?

In einer früheren Drehbuchfassung wurde in dem Dorf noch Plattdeutsch gesprochen. Irgendwann sagte ich: „Hört mal, das klingt mir jetzt zu sehr nach Freilichtbühne oder Bauerntheater, das müssen wir anders hinkriegen. Es muss der Horror sein, aber nicht tümelnd.  Die Geschichte ist lakonisch, grausam, unkommentiert, ja, beinahe hoffnungslos. Das hat mir beim Lesen wehgetan! Man kann die Arbeit Christian Schwochows (Regisseur, Anm. d. Red.) im Übrigen nicht hoch genug bewerten.

Sie haben zum ersten Mal mit ihm zusammengearbeitet...

...Christian Schwochow ist ein Phänomen! Er verhält sich jedem Teammitglied gegenüber respektvoll, hört den Schauspielern genau zu, interessiert sich für deren Ideen und argumentiert stets überzeugend. Gäbe es den idealen Charakter eines Regisseurs (überlegt)...joa, das ist Christian Schwochow!

Sie loben ihn, er lobt Sie - die logische Folge: Nur wenige Monate später drehten sie erneut gemeinsam einen Film.

(lächelt) Sehen Sie, Sympathie, Respekt, Interesse sind wohl nicht einseitig. Wir hatten beide Lust auf ein zweites gemeinsames Projekt und haben daher im Herbst Ken Folletts „Die Pfeiler der Macht“ gedreht. Ein Familienepos und Sittengemälde aus dem 19. Jahrhundert in London. Wunderbar.

Was ist so mutig an dem Tatort „Borowski und der Himmel über Kiel“?

Es ist mutig zu zeigen, dass die Droge – bitte nicht falsch verstehen -  erst mal geil ist. Die Konsumenten sind zunächst nur eins: gut drauf. Das ist natürlich auch problematisch und für uns Schauspieler zuweilen eine Gratwanderung, schließlich wollten wir keinen Crystal-Meth-Werbefilm machen. Ich bin aber überzeugt, dass man bei derart heiklen Themen die Slalombahn ausfahren sollte.