Herr Graf, ab heute gehen Sie auf Vermarktungstour in den Agenturstädten. Was haben Sie im Koffer?

Vor allem Spaß, wir freuen uns auf die Tour, denn wir haben uns diesmal darauf verlegt zu zeigen, was wir anders machen. Es wird bunt – ein Bilderbogen.

Und Tele 5 kämpft weiterhin allein?

Wir sind Selbstvermarkter aus Überzeugung, weil dieser Umstand ganz wesentlich zu unserem Erfolg beiträgt und unsere eigene Haltung „Anders ist besser“ unterstreicht. Daran halten wir fest. Wir lieben unseren Job.



Generell hört man aber von vielen kleinen Sendern Klagen über die Schwierigkeit, in der Nische neben zwei großen Playern wie IP Deutschland und SevenOne zu bestehen. Was macht Tele 5 also anders?

Wir sind im Gegensatz zu manchem anderen Nachzügler seit über zehn Jahren am Markt. Kontinuität ist daher ein wichtiger Aspekt. Sowohl auf persönlicher Ebene als auch im Geschäftlichen. Und es geht um Verlässlichkeit. Wir versprechen nichts, was wir nicht halten können. Das ist gerade im Verkauf eine seltene Tugend geworden. Da unser Verkaufs-Team direkt im Sender sitzt, können wir flexibler und schneller sein. Wären wir Teil im Portfolio einer internationalen Konzernmutter, würde dies Manches verkomplizieren, weil Abstimmungswege weitaus länger sind oder übergeordnete strategische Gründe Einschränkungen mit sich bringen. Wir sind sehr dankbar, dass wir in der Vermarktung unsere ganze Kraft in das eigene Projekt stecken und eigene Ideen umsetzen können. Uns eint der Gedanke, Fernsehen anders zu machen. Was inhaltlich auf dem Bildschirm passiert, gilt automatisch auch für unsere Strategie im Verkauf. Waren wir früher mit „Wir lieben Kino“ auf ein Genre beschränkt, sind wir mit der heutigen Programmausrichtung mit Filmen, Serien und Entertainment sehr viel breiter aufgestellt. Wir bieten die Bandbreite wie ein Großer.

Wird aus Tele 5 inhaltlich dann so etwas wie ein Gemischtwaren-Laden?

Gemischtwaren-Läden, das sind wenn, dann andere (lacht). Der Vergleich klingt etwas despektierlich. Vielleicht kommt der Tante Emma Laden dem etwas näher. Ein Fernsehhaus mit vielen Submarken kann ihnen alle Facetten verkaufen, mehrfach, weil sie alles im Angebot haben, dies wirkt wie ein Mega-Supermarkt. Da ist aber jede Sendermarke nur ein Ausschnitt des Angebots. Dem einen Kunden bietet man dieses an, dem anderen lieber etwas anderes. Wir verkaufen einen Sender, Tele 5, den aber dafür sehr gut und vor allem sehr breit. Und das tun wir selbst, weil wir fest daran glauben, dass das der richtige Weg ist - mit langjährig vertrauten Ansprechpartnern, also um im Bild zu bleiben, ähnlich wie ein Feinkost Tante Emma Laden. Nur so kann man glaubhaft sein eigenes Markenverständnis vermitteln und vertrauensvolle direkte Geschäftsbeziehungen aufbauen und pflegen.

Mit Agenturen oder auch direkt mit Werbetreibenden selbst?

Kurz nach meinem Antritt im Dezember 2006 sind wir mit einem klaren Schwerpunkt bei den Agenturen gestartet. Unsere Aufgabe war es, dort Tele 5 überhaupt erst einmal vorzustellen und den Sender in die Mediapläne ihrer Kunden zu bringen. Das war ein langer und steiniger Weg. Der Dialog mit den Agenturen bestimmt noch heute 70 bis 75 Prozent unserer Arbeitszeit. Aber wir widmen uns immer stärker direkt den Werbetreibenden. Hier öffnen sich gerade neue Möglichkeiten, weil diese sich immer mehr für spezielle Kommunikationslösungen interessieren. Die Werbetreibenden sind selbstständiger geworden und bieten sich für persönliche Gespräche an.

Wird dieses Verhältnis in der Zusammenarbeit mit Agenturen und Werbetreibenden so bleiben?

Wir arbeiten darauf hin, das in Richtung 60/40 oder gar 50/50 zu ändern. Agenturen bleiben für uns das wichtige Standbein. Zudem wollen wir aber den Kontakt direkt mit den Werbetreibenden pflegen und ausbauen. Wir bezeichnen uns selbst als Markensammler, da wir so viele Marken wie möglich im Portfolio haben möchten, und das natürlich am liebsten direkt.

Soweit die Zukunftsperspektive. Gibt es - umgekehrt gefragt - etwas, was Sie nicht mehr machen wollen?

Es gibt Dinge, die wir nicht mehr so proaktiv vermarkten, wie in den ersten Jahren. Ein Beispiel sind maßgeschneiderte Grafikinserts. Wir haben uns damals die Filme darauf hin angeschaut um Kunden thematisch passende Grafik-Inserts anzubieten. In den Jahren 2007, 2008 war so etwas neu. Heute ist das nicht mehr so ungewöhnlich. Deswegen muss man hier natürlich immer wieder neue Akzente setzen. Unser Kerngeschäft bleibt aber der TV Spot.

Verliert sich TV-Vermarktung nicht viel zu sehr in solchen Spielereien? Auf mich wirkt es so, als traue man selbst der Kraft des klassischen TV-Spots nicht mehr.

Von großen Vermarktungshäusern wie IP Deutschland oder SevenOneMedia erwartet man, dass sie immer wieder Neues präsentieren, weil sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Wir haben uns in den letzten Jahren auf die klassische Spot-Vermarktung konzentriert und sind im Zuge dessen viel intensiver in direkten Kontakt mit Werbekunden getreten. Im unmittelbaren Gespräch erfährt man sehr genau, welche Kommunikationsziele gewünscht sind. So lässt sich sehr viel zielgerichteter planen als im Dialog über die Agenturen.

Aber die Qualität eines Werbeblocks dürfte auch zunehmend ein Thema werden. Mit immer mehr Media-for-Equity-Spots bei den großen Vermarktern und grundsätzlich mehr Werbung für Websites, die meist keine so kreativen Kampagnen haben, sinkt die Attraktivität doch…

Das sehe ich ähnlich. Erst kürzlich habe ich mit der Geschäftsführerin einer kleineren Media-Agentur gesprochen, die die Neugier mancher Unternehmen auf die Media-for-Equity-Angebote zu spüren bekommt. Natürlich klingt es reizvoll, im Austausch gegen Firmenanteile Werbefläche zu bekommen, aber wenn sich das in der Masse potenziert, verwässert das den Gesamteindruck im Werbeblock doch sehr. Ich persönlich denke, dass hier eine professionelle Mediaplanung sinnvoller wäre als das Gießkannenprinzip. Im Sinne, dass man Werbung stattdessen cleverer und gezielter platziert. Bei den Media-for-Equity-Deals ist genau das aber meist nicht der Fall. Und leider sind auch die Kreationen solcher Werbespots in der Regel nicht besonders ansprechend: Das geht auf Kosten der Attraktivität der Werbeblöcke, weil das Niveau sehr schwankt. Wir sehen uns bei Tele 5 als Markensammler und machen lieber Werbeblöcke wie in den 90ern. Klassische hochwertig produzierte Spots, die sich nebeneinander so gut behaupten wie im Programmumfeld, das bei uns mit Spielfilmen und Serien ja selbst maximale Produktionsstandards mitbringt. Der Bruch zwischen Programm und Werbeblock wird auch vom Zuschauer weniger stark empfunden und nicht so schnell durch Wegzappen abgestraft.