Herr Hagemann, ich bin jetzt mal ein Spielverderber: Deutschland spielte gerade gegen Argentinien und in den kommenden Monaten stehen auch noch Spanien und die Niederlande als Gegner an – das sind allesamt Freundschaftsspiele. Bei RTL müssen Sie sich auf Georgien und Gibraltar einstellen...

Halt, Sie haben Schottland, Irland und Polen als Gegner in der deutschen Gruppe vergessen. Gerade das erste Spiel gegen Schottland in Dortmund wird ganz sicher ein Leckerbissen, aber auch auf Auswärtsreisen etwa nach Warschau, Glasgow oder Dublin habe ich richtig Lust. Und aus meiner langjährigen Kommentatoren-Erfahrung weiß ich nur zu gut, dass jedes Spiel seine ganz eigene Dynamik entwickeln kann. Schon so manche auf dem Papier nicht so attraktive Paarungen hat sich am Ende als Top erwiesen, während sich vermeintliche Spitzenspiele als Flop entpuppten.

Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Warum ist jetzt die Zeit für den Abschied von Sky gekommen?

RTL hat mir mit den Qualifikationsspielen der deutschen Nationalmannschaft ein sehr gutes Angebot gemacht. Die Nationalmannschaft zu kommentieren, ist per se etwas Besonderes. Jetzt reden wir über Spiele des amtierenden Weltmeisters. Die Euphorie könnte im Moment nicht größer sein.

Macht's das denn nicht schwieriger, weil es ja jetzt wieder ganz von vorne losgeht? Da muss die Euphorie doch eher wieder gebremst werden.

Wir werden in unserer Berichterstattung diese Euphorie ganz sicher nicht befeuern, das wäre journalistisch unprofessionell. Aber den Fans sollte die Euphorie auch nicht gleich wieder genommen werden, dafür gibt es überhaupt keinen Grund. Um die Mannschaft selbst sorge ich mich erst recht nicht, da wird schon keiner abheben. 

Sie interessieren sich sehr für die Premier League und haben zahlreiche Spiele kommentiert. Da fehlt doch dann künftig etwas...

Ich hatte nicht nur mit der Premier League, sondern auch mit der Bundesliga und der Champions League zu tun. Mit der Zeit ist man ein Teil von alledem geworden. Ganz bestimmt wird es deshalb Momente geben, in denen mir all das fehlen wird. Aber ich kann ja auch privat ins Stadion gehen.

Als bekannt wurde, dass RTL die Spiele der Nationalmannschaft zeigen wird, haben manche Fans die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, weil Sie zu viel Show befürchten. Können Sie die Fans beruhigen?

RTL zeigt doch auch beim Boxen und in der Formel 1, wie gut das Zusammenspiel von Sport und Unterhaltung funktionieren kann. Wir wollen den Zuschauern den Weltmeister näherbringen und gehen bei der Vorberichterstattung hier und da ganz bestimmt eigene Wege. Aber wer nun ein Spektakel mit riesigem Feuerwerk erwartet, der wird enttäuscht sein. Das Spiel steht immer im Vordergrund.

Bei Spielen der Nationalmannschaft schauen viel mehr zu als bei einem normalen Bundesliga-Spiel. Was bedeutet das für den Kommentator?

Erst einmal gar nichts. Natürlich weiß ich, dass viele Zuschauer ganz genau darauf achten werden, was ich sage, aber das ändert nichts an meiner Art zu kommentieren. Für die Vorbereitung steht allerdings mehr Zeit als bisher zur Verfügung, weil ich teilweise drei oder vier Spiele pro Woche kommentiert habe. Da wurde es manchmal eng.

Das Publikum dürfte sich künftig anders zusammensetzen als bei Sky.

Sky Sport hat ein sehr sportaffines Publikum, RTL dagegen ist als Vollprogrammsender in seiner Publikumsstruktur sehr viel breiter aufgestellt. Für mich wird es daher darum gehen, leicht verständlich und nicht ganz so fachspezifisch zu kommentieren. Die taktisch-analytischen Aspekte des Spiels werde ich darüber aber nicht vernachlässigen. 

Vor dem Fernseher sitzen viele Bundestrainer – aber fast noch mehr lauern im Internet. Auf  manche Kommentatoren wirkt das Netz daher wie ein unsicheres Terrain, weil dort ein falsches Wort mal schnell einen kleinen Shitstorm auslösen kann. Ist die Internet-Gemeinde ungerecht?

Ach, das steht mir nicht zu, darüber zu urteilen. Das Netz ist erbarmungslos schnell und offen – das hat Vor- und Nachteile. Angst vor einem Shitstorm habe ich jedenfalls nicht. Und am Ende entscheidet immer noch der Chef, ob man seinen Job gut macht oder nicht. (lacht)