Jeder ist ersetzbar. Solche Sätze sondern aufgepumpte Personalchefs gerne mal ab, wenn sie ihre Allmacht demonstrieren wollen und so tun, als weinten sie einem Abgänger keine Träne nach. Das ist natürlich kompletter Bullenauswurf, denn so oft schon hat die Kündigung einzelner Mitarbeiter ein komplettes Personalgefüge zerrüttet. Man denke nur mal daran, was für ein Seichverein aus Take That wurde, nachdem Robbie Williams den Dienst quittiert hatte. Man denke nur mal an Genesis ohne Peter Gabriel. Man denke an die „Wochenshow“ ohne Bastian Pastewka und Anke Engelke.

Wenn man das getan hat, kann man ermessen, welchen Schaden der Abgang von Nina Kunzendorf beim Frankfurter Tatort anrichtet. Nur wenige Folge durfte sie als Polizei-Prolline Conny Mey mit dem von Joachim Król gespielten Kommissar Steier ermitteln, aber die wenigen Folgen haben gereicht, um in der Top Ten der besten „Tatort“-Folgen gleich mehrfach aufzuschlagen. Nun ist Kunzendorf Geschichte, was Król demnächst auch sein wird, und gleich die erste einsame Folge zeigt, dass er wohl besser gemeinsam mit der Partnerin gegangen wäre. Kunzendorf stellte ganz offensichtlich eine regelnde Kraft dar, die nun fehlt.

Beim ersten Alleingang ist Kommissar Steier noch ein wenig mehr dem Alkohol verfallen. In der Eingangsszene kippt er einen nach dem anderen. Am Morgen danach erwacht er in einem Park und bekommt gerade so mit, wie eine Joggerin einen Jogger aufschlitzt. Steier setzt zur Verfolgung an, macht aber halbbesoffen, wie er immer noch ist, nach wenigen Metern schlapp. Fortan ist er Zeuge und wird daher von dem Fall ferngehalten. Er muss stattdessen ermitteln, was es mit einer gleichfalls aufgeschlitzten Leiche auf sich hat, die unter einer Frankfurter Brücke hing. In einem Sack.

Natürlich kann Steier nicht die Finger vom Jogger-Mord lassen, erst recht nicht, als sich herausstellt, dass das Opfer Lehrer war an einer Schule, in der seine Ex-Frau unterrichtet. Als er die befragt, bekommt er mitgeteilt, dass sie einen neuen Liebhaber hat, einen jüngeren. Natürlich. Obwohl Steier hoch und heilig verspricht, die Finger vom Neuen zu lassen, stellt er ihm nach und stößt rasch auf ein paar Ungereimtheiten, die mehr Verdachtsmomente bergen als die pure Eifersucht des Schnüfflers verkraften kann.

Will man die Art und Weise beschreiben, in der Regisseur Achim von Borries die gemeinsam von ihm und Hendrik Handloegten verfasste Vorlage in Szene gesetzt hat, dann kommt rasch „zusammengestückelter Kram“ als Klassifizierung ins Spiel. Es reichte den Urhebern offenbar nicht, nur die Alkoholsucht des müden und mürrischen und zunehmend ungerechten Protagonisten Steier zu thematisieren, es muss irgendwie auch immer das ganz Große ins ganz Kleine hineinblitzen. Also wird der Terror, den Lehrer gegen Schüler und Kollegen ausüben, ebenso ein Thema wie japanische Selbstmordkunst und die Verschwiegenheit des US-Militärs. Ein Abstecher ins rotlichtige Milieu darf selbstredend ebenso wenig vergessen werden wie ein Exkurs in die Literatur (Kafka) und die Popmusik („Mighty Quinn“). Fast schon zur Standardausstattung gehört schließlich der Pathologe, den keiner mag, weil er beim Mittagessen blutige Fotos zeigen möchte und auch ansonsten eher sonderbare Interessen hegt.

Von allem ist ein bisschen zu viel zu sehen, was trotz respektabler Leistung von Król zwangsläufig als furchtbare Wurschtelei endet. Man kommt dabei auf die gar nicht so absurd klingende Idee, dass Kunzendorf dieses Drehbuch vorgelegen haben könnte und sie zur Kündigung trieb. Nur eine spinnerte Idee, die gewiss nichts mit der Wahrheit zu tun hat. Aber wenn die „Tatort“-Autoren schon so oft straflos in abstruse Welten abdriften dürfen, darf ich mir wohl auch mal einen Schlenker erlauben.

Einen winzigen Versuch, Kunzendorfs grandiose Conny Mey zu ersetzen, leistet man sich auch noch. Alwara Höfels muss eine Steier zur Seite gestellte Assistentin spielen und macht das ganz ordentlich. Hauptsächlich dient sie indes als Anspielstelle für Steiers schlechte Laune. Die erträgt sie sehr lange sehr geduldig, bis sie dann irgendwann explodiert und ihren „Schützling“ anraunzt. „Kotzen Sie sich nicht eigentlich selber an“, fragt sie, bekommt aber keine sonderlich taugliche Antwort. Eine wie Conny Mey hätte danach die Türe geknallt, eine wie die Neue muss kuschen. Das ist leider nicht schön anzusehen und nicht einmal passabel unterhaltsam.