Verkehrte Welt am Sonntagabend. Bei RTL widmete sich "Spiegel TV" als verlängerter Arm des Nachrichtenmagazins dem Titelthema des "Spiegel" und berichtete über die neuesten Enthüllungen zum amerikanischen Spionage-Programm während bei "Günther Jauch" im Ersten zeitgleich u.a. der frühere Fußball-Kommentator Werner Hansch über Schlaglöcher auf deutschen Straßen sprach. Infotainment hier, aktueller Politjournalismus dort - nur dass sich noch am Sonntagabend eben jene ARD-Gremlins, die Günther Jauch einst so fürchtete, darüber empörten, dass es in diesem Fall die ARD war, die das Infotainment bot. Und die Gremlins, die tun das mit Vorliebe gleich gegenüber der Presse.



Aber nicht nur aus dieser Richtung gab es Irritationen. Auch bei Facebook und Twitter gab es parallel zur Sendung in erster Linie Kopfschütteln - und das auch von Journalisten-Kollegen. Warum also das Thema "Die Schlagloch-Republik – geht Deutschland kaputt?" statt einem Gespräch über die jüngsten Enthüllungen zum NSA-Spionageprogramm, die am Sonntag alle Nachrichtenseiten dominierten und auch bei tagesschau.de großer Aufmacher sind? "Sie haben recht: man kann darüber tatsächlich diskutieren. Das Spähprogramm der Amerikaner und Engländer hat sicher gerade am Wochenende als Thema noch einmal gehörig Fahrt aufgenommen", erklärt Günther Jauch am Sonntagabend nach der Sendung auf Anfrage von DWDL.de.

Doch er macht auch deutlich, dass sich die Relevanz eines Themas immer aus mehreren Perspektiven bewerten lässt. "Auf der anderen Seite ist die ständige Unterfinanzierung von Straßen, Brücken und anderen Infrastrukturmaßnahmen ein Thema, dass Millionen Deutsche betrifft. So hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ja vor einigen Tagen genau diese Situation massiv beklagt", erklärt Jauch noch einmal den aktuellen Aufhänger für das gewählte Thema. "Natürlich kann man, vor allem nach einer Sendung, zum Ergebnis kommen, dass auch ein anderes Thema möglich oder vielleicht sogar besser gewesen wäre."

In diesem konkreten Fall dürfte die unterschiedliche Fallhöhe der Themen aber dann doch schon im Vorfeld und nicht erst nach der Sendung klar gewesen sein. Vielleicht war die Redaktion von "Günther Jauch" - von der aktuellen Nachrichtenlage gänzlich unbeeindruckt - in Gedanken schon in der Sommerpause. Unnötigerweise befeuert man auf diese Art eine seit Jauchs Premiere am Sonntagabend immer wieder aufkeimende Frage: Welchen Anspruch hat die ARD eigentlich an diesen, ehemals wichtigsten Sendeplatz für Polittalk in Deutschland?