Herr Pilawa, ist es eine gute Idee den Fernseher einzuschalten, wenn man sich bilden möchte?

Ne (lacht).

Überraschend ehrliche Antwort...

Man muss zumindest gezielt einschalten. Man findet, wenn man sich "bilden" möchte, immer noch entsprechende Programme, ganz klar. Ich finde, dass wir in Deutschland weltweit gesehen mit das beste Fernsehprogramm haben. Man muss sein Programm natürlich suchen. Nicht jedes Interesse kann auf den ersten Plätzen der Fernbedienung bedient werden. Aber in welchem Land der Welt hat man denn am gleichen Abend die Möglichkeit, eine Opern-Premiere, mehrere gute Spielfilme, zahlreiche Dokumentationen, aber auch Unterhaltung zu sehen. Diese Vielfalt auch im Abendprogramm gibt es sonst kaum auf der Welt.

 

 

Aber sie haben erstmal gelacht, als ich Fernsehen mit Bildung in Verbindung gebracht habe. So wie vielleicht mancher. Hat unser Fernsehen dann einfach ein Imageproblem?

Ja natürlich. Fernsehen hat definitiv ein Imageproblem. Das Fernsehen ist in den Möglichkeiten und seinen Angeboten definitiv besser als sein Ruf. Die Vielfalt ist so groß wie noch nie. Aber man muß auch sehen: das Fernsehen hat nicht mehr die Funktion wie in den 60er-Jahren, als Fernsehen wirklich das einzige Tor zur und der Blick in die weite Welt war. Diese Neugierde wird mittlerweile auch durch das Internet bedient. Wenn zum Beispiel darüber diskutiert wird, dass die Zuschauerzahlen bei den Nachrichtensendungen tendenziell runter gehen, heißt das nicht, dass sich die Menschen weniger für Nachrichten interessieren. Heute hat man 24 Stunden am Tag die Möglichkeit, sich über alles in dieser Welt im Internet zu informieren. Bei meinen Eltern war es ein ungeschriebenes Gesetz, um 20 Uhr die "Tagesschau" zu gucken. Bei mir war das sicherlich vor 10 Jahren auch noch so. Habe ich heute die Tagesschau verpasse, ist das kein Problem, weil ich die Informationen bereits den Tag über bekomme.

Helfen Quizshows bei der Bildung?

Eine Quizshow ist zuallerest eine Unterhaltungsshow. Aber das ist nicht alles. Ich erlebe es ja noch heute bei mir selbst - und ich habe in den letzten Jahren zehntausende Quizfragen gestellt - die eine oder andere Frage ist dabei, bei der ich genauer wissen will, was es mit der Antwort  auf sich hat. Da schaue ich dann nach der Sendung auch nochmal im Internet oder einem Buch nach. Wenn wir das mit jeder zehnten, zwanzigsten oder dreißigsten Frage bei einzelnen Zuschauern schaffen, dann haben wir sicherlich ein bisschen den Bildungsauftrag erfüllt. Aber wir machen primär natürlich Unterhaltung.

Wo würden Sie denn den “Neuen deutschen Bildungstest“ verorten?

Wenn ich da am Samstagabend um 20:15 Uhr raus komme, geht es mir darum zu unterhalten, das ist ganz klar. Der Auftrag kann nicht sein, in Anführungsstrichen zu "bilden". Das will ich nicht, ich will unterhalten. Aber ich finde die Frage, die hinter der Show steht, spannend: "Was ist heute eigentlich noch Bildung?"

Und da hat sich etwas geändert?

In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat sich in Bezug auf den Bildungsbegriff unglaublich viel in Deutschland verändert - ganz viel sogar. Vor zwanzig Jahren hat noch jeder gesagt: Ich muß "Schiller, Lessing, Goethe", also klassische Literatur, kennen. Dann muß ich wissen, dass die ersten Bundespräsidenten "Heuss, Lübke, Heinemann" hießen und die Bundesrepublik 1949 gegründet wurde. Das hat sich extrem verändert. Die Diskussion um den Bildungsbegriff fing mit dem Buch von Dietrich Schwanitz "Bildung. Alles, was man wissen muß" an. Nach ihm kamen dann viele Naturwissenschaftler, die sich darüber beklagt haben, dass die Naturwissenschaften gegenüber den  Geisteswissenschaften zu kurz kommen. Bücher erschienen, die sich mit dem Bildungskanon beschäftigten. Wir haben redaktionell lange überlegt, was denn eigentlich Bildung ist und entschieden, genau das einfach mal repräsentativ zu erfragen mit Hilfe des Forsa-Instituts und in Kooperation mit dem Brockhaus-Verlag. Wir wollen eine fundierte Antwort geben auf die Frage: Was ist heute für die Deutschen Bildung?

Kann Bildung Ihrer Meinung nach heute noch umfassend sein?

Eine Tatsache: Das reine Faktenwissen auf unserem Globus verdoppelt sich in etwa alle acht Jahre. Zu Zeiten Alexander von Humboldts oder Goethes war es einfacher, als gebildet zu gelten als heute. Oder nehmen wir ein Beispiel aus dem Alltag: Als ich zur Schule gegangen bin, da haben wir Jungs uns alle für Fußball interessiert. Jeder von uns kannte die 18 Bundesligavereine mit den Spielern. Wenn sich heute beispielsweise mein Sohn für Fußball interessiert, muss er nicht nur die Bundeslage kennen, sondern wissen, wie es in der italienischen, spanischen und englischen Liga aussieht. Am besten er weiß aber auch, was beim Basketball in den USA und beim Eishockey in Kanada los ist und kennt dazu vielleicht auch noch die Top-Ten-Spieler im Golf.

Wobei die Frage wäre, ob er all das weiß oder nur weiß, wo man die Informationen findet...

Stimmt. Das ist die Herausforderung im Medienzeitalter; der User muß entscheiden, Was muß ich heute noch wissen?. Was google ich nur noch? Hinter was mache ich einen Haken? Und was will ich im Gegensatz dazu auch wirklich verstehen? Das betrifft Kulturtechniken der Bildung. Früher waren das lesen, schreiben und rechnen. Heute kommt eine vierte Kulturtechnik hinzu: die Medienkompetenz. Wir alle müssen den richtigen Umgang mit der Flut an Informationen lernen. Es ist eine Errungenschaft, dass wir heute die Welt auf einem Smartphone haben. Aber wir müssen eben auch an den richtigen Stellen den eigenen Kopf einschalten und denken.