Herr Reinhardt, erinnern Sie sich an den letzten erfolgreichen Neustart im Bereich der täglichen Serien?

Die Frage ist, was man unter einer täglichen Serie versteht. Bei unseren Produktionen handelt es sich um voll-fiktionale Serien mit Schauspielern, ausgebildeten Regisseuren und erfahrenen Drehbuchautoren. Wir haben es also mit reinen Serien-Formaten zu tun, die durch Zufall täglich ausgestrahlt werden. In diesem Bereich ist „Alles was zählt“ vermutlich der bislang letzte erfolgreiche Neustart.  

Der Start liegt inzwischen bereits sechs Jahre zurück, in diesen Tagen feiern Sie nun die 1500. Folge. Doch mit „Berlin – Tag & Nacht“ gibt es derzeit eine ernsthafte Konkurrenz...

„Berlin – Tag & Nacht“ ist ein sehr intelligent gemachtes Hybrid, das ohne echte Schauspieler auskommt. Jemand hat diese Menschen mal als „Naturschauspieler“ bezeichnet, also Menschen, die einfach so sind wie sie sind. Sie arbeiten nicht nach einem kompletten Dialogbuch, sondern müssen szenische Handlungsanweisungen bedienen. Das macht das Format sehr authentisch. Wir beobachten die Entwicklung natürlich gespannt, weil wir mit „Alles was zählt“ in direkter Konkurrenz dazu laufen. Derzeit schlagen wir uns noch ganz gut, aber wir werden gerade im nächsten Jahr ganz bestimmt einiges nachlegen.

Zittern Sie vor RTL II?

Ich mache seit 18 Jahren in verschiedenen Positionen Fernsehen. Ich muss gemeinsam mit meinem Team eine Antwort darauf finden. Wir haben ein Phänomen namens „Big Brother“ gehabt, das auch gegen uns lief und uns richtig unter Druck gesetzt hat. Unsere Leute sind erfahren genug, um sich verändern zu können – und auch verändern zu wollen. Bei „Berlin – Tag & Nacht“ muss man allerdings auch erst mal abwarten, wie lange der Erfolg anhalten wird. Auch dort wird inzwischen anders erzählt, es wird szenischer gearbeitet. Angst habe ich nicht, eher Lust auf den sportlichen Wettbewerb. Endlich ist mal wieder was los.

Wie genau wollen Sie bei „Alles was zählt“ reagieren?

Wir müssen das Konzept wieder komplett überarbeiten. Ohne ständiges Hinterfragen geht es nicht. Das betrifft die Besetzung, die Visualisierung, die Gewerke – alles muss auf den Prüfstand gestellt werden.

Wie viel von der Ursprungsidee steckt heute überhaupt noch in „Alles was zählt“?

Eigentlich sehr viel. Die Mischung aus Blut, Schweiß und Tränen, verbunden mit der Haltung, gegen alle Widrigkeiten an den eigenen Traum zu glauben, ist geblieben. Trotz aller Veränderungen ist die sportliche Attitüde gepaart mit prägender Musik weiterhin vorhanden – genau das war die Idee des Formates, die wir anfangs mit Eislaufen untermauern wollten und schließlich mit dem Tanzen fortgeführt haben.

Sie haben gerade schon angesprochen, dass bei täglichen Serien ein langer Atem notwendig ist. Den hatte das ZDF bei der Neuauflage von „Wege zum Glück“ nicht.

Aus programmlicher Sicht kann ich das ZDF verstehen. Aber: Eine tägliche Serie braucht mindestens ein halbes Jahr um vom Zuschauer angenommen werden zu können. Das ist eine Tatsache. Alles darunter ist suboptimal. Ein Formatstart im Mai, mit einer Fußball-EM und einer Olympiade in naher Zukunft, erschwert dies noch zusätzlich.

Waren Sie überrascht, dass das ZDF nur 35 Folgen lang durchgehalten hat?

Überrascht war ich nicht, aber ein bisschen enttäuscht. Das bedeutet ja nicht, dass die Menschen, die das Format gemacht haben, nichts davon verstanden haben. Im Gegenteil: Es waren die besten Leute zusammen, verbunden mit einer neuen Technologie – auch weil das ZDF beispielsweise im Januar Schneefreiheit haben wollte. In einem halben Jahr wurde ein sehr wertiges Projekt auf den Schirm gebracht, wofür man sonst doppelt so lange benötigt. Enttäuscht bin ich vor allem, weil sich sowohl die Hoffnung des ZDF, der Zuschauer als auch unsere Hoffnungen nicht erfüllt haben.