So ein Spiefilm ist ja schon etwas Wunderbares. Für rund zwei Stunden zieht er mich in eine fremde Welt. Ist er gut gemacht, vergesse ich alles um mich herum und bin ganz tief in der Handlung. Sie saugt mich geradezu ein. Immersion nennen das die Fachleute, die sich mit Erzähltheorien befassen. Wikipedia umschreibt den Begriff als "das Eintauchen in eine künstliche Welt durch Auflösung der räumlichen Grenzen". Aber was hat das in einem Text zur Zukunft des Fernsehens zu suchen? Das Thema ist ja schließlich so alt wie die Erzählung selbst. Also in unserer Kultur wohl so alt wie die griechische Tragödie.

Dennoch ist der Begriff gerade schwer in Mode, wird kräftig diskutiert und mit neuer Bedeutung gefüllt. Vor allem rund um die Games – die nicht wenigen als die Leitkultur des 21. Jahrhunderts gelten –  arbeitet man sich ab an der Frage: Wie zieht man das Publikum rein und hält es in den fiktiven Welten? Doch auch bei Film und Fernsehen kommt man um das Thema derzeit nicht herum. Denn mit der Technik ändert sich das Verhalten der Menschen. Und damit auch ihre Anforderungen an gute Geschichten. Ich kann es gar nicht oft genug betonen: Der gute alte Spielfilm zum Zurücklehnen wird auch nach wie vor eine rege Nachfrage erleben – so wie auch heute noch Theater oder Oper. Doch da geht künftig noch einiges mehr.

Das kann man schon im Kleinen an sich selbst beobachten. Wer emotional aufgeschlossen ist, der ist empfänglich für Stimmungen und Atmosphären in Filmen, nimmt daraus ein bisschen mit in den Alltag. Wer sich über mehrere Tage in Serienkosmen versenkt, der weiß, was es heißt, sich auch im Büro als Teil von Tony Sopranos Crew zu fühlen oder seine Essensbestellung im Geiste an Kenneth den Pagen aufzugeben.

Die epischen Stoffe finden mittlerweile auch Erweiterung in den sozialen Netzwerken, in Blogs und anderen Bewegtbild- und Textmedien. So kann man Don und Betty Draper – den Helden der Serie "Mad Men" auch bei Twitter folgen, kann bei Facebook die Ermittler der Serie "Psych" bei der Jagd nach dem Hasthag-Killer unterstützen oder sich im Zuge von "Wer rettet Dina Foxx?" im echten Leben auf eine Schnitzeljagd nach einem USB-Stick begeben.

Die Fiktion durchbricht die engen Grenzen von Film und Serie, schwappt über in andere Bereiche. Gleichzeitig entzieht sie sich der Kontrolle der Macher. Denn nicht immer ist die Erweiterung geplant. Im Falle der Drapers bei Twitter zum Beispiel handelt es sich um geduldete Fan Fiction. Doch auch wer als Schöpfer seine Figuren und Geschichten auf rückkanalfähige Bühnen bringt, muss sich davon verabschieden, stets alles im Griff zu haben. Das Publikum entwickelt seine eigene Dynamik.

Unter dem Schlagwort "transmedial" geistert diese neue Erzähllogik momentan durch die Panels und Fachpublikation. Im Kern geht es darum, die Geschichte auf anderen Plattformen zu erweitern. Gegenüber dem alten Modell, in dem man die Geschichte lediglich für Buch, Game und Web adaptiert, geht es nun mehr und mehr darum, einen eigenen Storykosmos zu gestalten, aus dem die Autoren schöpfen und in dem eine Vielzahl von Geschichten stattfinden kann. Der Hauptfilm erzählt die große Geschichte, im Blog gibt's die Beobachtungen einer Nebenfigur und im Game kann der Zuschauer die Vorgeschichte erleben.

Mike Pohjohla –  Gründer der schwedischen Firma Company P – ist einer der Vorreiter für diese neue Art des Storytelling. Aus seinen Hause stammt unter anderem die Serie "The truth about Marika", die im Jahr 2008 mit dem Interactive Emmy prämiert wurde. Participation Drama nannte sich das. Gab es auch vor vielen Jahren schon. Bereits vor Jahrzehnten konnte man hier zu Lande nach dem Mörder von Boro suchen – mit wenig Erfolg. Die Zeit war noch nicht so weit, und vor allem fehlte der Rückkanal.

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