Schon 2003 startete die Firma Linden Lab die virtuelle 3D-Welt "Second Life" - war außerhalb von Fachmedien allerdings über Jahre hinweg völlig unbekannt. Bis zum Herbst 2006. Da überraschte Bild.T-Online im November mit der Ankündigung, eine virtuelle, englischsprachige Zeitung zu starten, die nur innerhalb des Online-Spiels "Second Life" zu haben sein wird. Das zunächst als "SL News" angekündigte Magazin startete schließlich unter dem Namen "The Avastar" und hielt Klatsch und Tratsch aus der virtuellen Welt für die virtuelle Welt parat. Besonders interessant für Unternehmen: Auch wenn in der virtuellen Welt mit der virtuellen Währung "Linden-Dollar" gezahlt wird: Sie lässt sich in "echtes" Geld umtauschen. Umgerechnet 42 Cent mussten für "The Avastar" abgedrückt werden. Nicht nur bei Springer sah man da schon die Kassen klingeln.

So absurd das für die meisten Menschen erst einmal klang: Der Aussage von Bild.T-Online-Chef Gregor Stemmle, damit ein "neues, spannendes und zukunftsträchtiges Terrain" zu betreten, konnte sich schon wenig später kaum noch jemand entziehen. Plötzlich wurde es ein regelrechtes Wettrennen: Unternehmen eröffneten reihenweise eigene Dependancen in "Second Life", die Berichte in sämtlichen Medien überschlugen sich. "In ist, wer drin ist" war plötzlich die Devise - und wer nicht in Second Life war, der werde auch im realen Leben schon bald nicht mehr viel zu melden haben, so schien es damals. Die US-Marktforschungsfirma Gartner verstieg sich gar zu der Aussage, bis 2011 würden 80 Prozent der Internet-Nutzer mit einem Avatar in einer 3D-Welt unterwegs sein.

Auf dem Höhepunkt des Hypes brachte es Second Life im Februar 2007 dann tatsächlich sogar zu einer eigenen "Spiegel"-Titelgeschichte: "Der digitale Maskenball - Zweites Leben im Internet". Doch wie das so ist: Nachdem der Hype sogar auf dem "Spiegel"-Titel angekommen war, hatte er seinen Zenit auch schon wieder erreicht. Seinen eigenen Avatar in der virtuellen Welt pflegen - das ist eben doch eher ein Vergnügen für einen kleineren Kreis von Interessierten und nicht das nächste große Ding, das künftig zum Allgemeingut gehören würde. Das begriffen schnell die meisten, die sich die Mühe machten, sich dort erst einmal anzumelden.

Das hinderte den bis dahin unbekannten Runaway-Verlag allerdings nicht daran, noch Mitte November, als die Berichte schon weitgehend abgeebbt waren, noch in eigens Magazin an den Kiosk zu bringen. Dem "Second Life Magazin", das "Lebenshilfe in der virtuellen Welt" versprach, war allerdings kein langes Leben beschieden. Schon im Juli 2008 meldete der Verlag Insolvenz an, das "Second Life Magazin" wurde vom Markt genommen. "The Avastar" hielt noch ein paar Monate länger durch, zog im Oktober aber ebenfalls einen Schluss-Strich. Dass das selbst Branchendiensten erst mit einem Monat Verzögerung auffiel, verdeutlicht schon, wie sehr das gehypte "Second Life" nach nur wenigen Monaten bereits wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden war.

Da ist es bis heute: Außerhalb des Blickfelds der Öffentlichkeit, und dennoch noch immer existent - und das gar nicht mal so unerfolgreich. Bis heute sind noch immer stets mehrere Zehntausend Nutzer gleichzeitig eingeloggt. Das ist durchaus beachtlich für ein Nischenprodukt. Der Betreiber Linden Lab erzielt damit auch Gewinn. Doch der Traum vom Massenphänomen, in dem jeder, der etwas auf sich hält, vertreten sein muss, war eben 2007 schon nach wenigen Monaten wieder ausgeträumt.