Herr Herles, „Die Vorleser“ hatte zum Schluss nur noch drei Prozent Marktanteil, was selbst für eine Literatur-Sendung kein zufriedenstellender Wert ist und wurde nach zehn Ausgaben letztlich abgesetzt. Ist Fernsehen überhaupt der richtige Schlüssel, um Leser zu erreichen und für ein Buch begeistern zu können?

Auf den ersten Blick nicht, aber man sollte sich jetzt nicht von einem kleinen Zwischentief abschrecken lassen, weil Literatur mit dem „Literarischen Quartett“ und Elke Heidenreich im ZDF eine große Tradition hat. Ich hoffe, dass ich da anknüpfen kann, ohne zu imitieren. Wir werden wirklich eine ganz neue Art von Literatursendung präsentieren. Die Frage ist ja nicht, ob das Fernsehen das ideale Medium ist, über Literatur zu informieren – es geht um die Zahl der Zuschauer, die man damit erreichen kann. Ich hoffe, wir werden irgendwo bei 700.000 und mehr Zuschauern landen – für eine Literatursendung eine irrsinnig große Zahl. Vergleichbar ist Denis Scheck mit 500.000 im Schnitt. Es ist mein Ehrgeiz, dass die Zuschauer einschalten, weil seriös, ernsthaft und trotzdem spannend über Literatur gesprochen wird – und nicht, weil irgendwelche berühmten Schauspieler herumturnen. Das ist die Hoffnung.

 

Was wollen Sie anders machen im Vergleich zur Vorgänger-Sendung „Die Vorleser“ oder Konkurrenz-Formaten wie „Druckfrisch“?

Ich möchte keine Talkshow machen, es gibt zu viele Talkshows. Bisher wurden alle ZDF-Literatursendungen in einem Studio vor Publikum präsentiert, und waren damit also mehr oder weniger Talk-Formate. Eine halbe Stunde Sendezeit ist für eine Gesprächssendung ohnehin nicht ideal - da brauchen Sie etwas Komprimiertes, etwas Verdichtetes. Deswegen gehe ich, wie Denis Scheck auch, zu den Autoren hin, aber die Gespräche sind intensiver. Im Vergleich zu „Druckfrisch“ wird es auch weniger Bücher geben. Auch die optische Herangehensweise ist eine andere. Es sind viele Kleinigkeiten – etwa, dass der Zuschauer Zitate aus den Büchern durch eingeblendete Zitate mitlesen kann. Die Sendung soll sehr viel näher an der Literatur sein. Und die Interviews sollen Gespräche über die Themen der Bücher sein, es soll wirklich um die Sache gehen. Die Herausforderung ist, dass es nicht langweilig, sondern packend wird.

Und wie sehen Ihre Pläne dahingehend aus, es spannend und packend zu gestalten?

Das geht eigentlich nur über die Sujets. Wenn man, wie in der ersten Sendung, über einen Gletscherforscher spricht, der über seinen schmelzenden Gletscher so verzweifelt ist, dass er zum fanatischen Umweltterroristen wird, dann ist das doch ein sehr aktuelles Thema. Das ist eine spannende Geschichte und trifft die Wirklichkeit und das muss auch so sein. Ein Gespräch am Originalschauplatz mit einem Gletscher, der aussieht wie ein toter Elefant, grau mit tiefen Rissen, das macht man nicht einfach nur deshalb, weil man anschließend schöne Bilder hat, sondern man veranschaulichen kann, wovon das Buch handelt. 

Ist die neue Darstellungsform mit dem Aufsuchen der Original-Schauplätze nicht ein Tribut ans Fernsehen, welches nach Spektakel lechzt?

Es ist kein Spektakel, es ist ganz pur. Klar, dieses blaue Sofa, das dann neben der Gletscherspalte steht...

....das immer mit auf Reisen geht?

Das reist mit, so weit es mitreisen kann. Nach Amerika nehme ich es vielleicht nicht mit, aber mit auf den Gletscher durfte es, was natürlich auch eine ironische Verfremdung ist. Ein bisschen optisch anregend darf das schon sein, aber es lenkt nichts vom Thema und vom Buch ab. Von nichts abzulenken und intensiv zu sein, darauf kommt es mir wirklich an. Meine Theorie – und ich hoffe, dass ich sie belegen kann – ist, dass Intensität nichts mit Infotainment zu tun hat. Man sollte nicht mit Gewalt unterhalten wollen, sondern ich stelle die Behauptung auf, dass ein tolles Thema die Leute immer packt.