Logo: ZDFWenn Roland Koch mit seiner Ankündigung, einer Vertragsverlängerung von Nikolaus Brender als Chefredakteur des ZDF nicht zuzustimmen, eines geschafft hat, dann war es ein Schlaglicht auf die denkwürdigen Strukturen der ZDF-Gremien und den offensichtlichen Versuch der Einflußnahme führender Politiker auf die Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Sendern zu werfen.

In den letzten Tagen jagt ein Offener Brief, der die Kritik am Vorgehen insbesondere von Roland Koch deutlich macht, den nächsten, zahlreiche hochrangige Journalisten stärken ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender und ZDF-Intendant Schächter den Rücken. Im Deutschlandfunk äußerte sich nun der langjährige WDR-Intendant Friedrich Nowottny und bezeichnete die Vorgänge als "jämmerliches Schauspiel", das noch "weit über den Fall Nikolaus Brender hinaus" reiche. Die Parteien würden versuchen, ihre Macht nach Gutsherrenart immer schamloser auszunutzen. Es sei Zeit, über die gesetzlichen Grundlagen des ZDF nachzudenken. 

Der langjährige "Tagesthemen"-Moderator Ulrich Wickert prohpezeite unterdessen in einem Interview mit "stern.de", dass "dieses Schauspiel auch dem einen oder anderen ARD-Sender demnächst wieder blühen" werde. Der ZDF-Verwaltungsrat sei verfassungswidrig mit zu vielen Politikern besetzt, denen es nur um das Diktat der Politik gehe. "In der letzten Sitzung der ZDF-Gremien haben Parteienvertreter offen gesagt, dass sie auch bestimmen wollen, welche Politiker zu Interviews eingeladen werden und welche nicht - das ist der Wahnsinn!", so Wickert. Die Politik sei dabei, das öffentlich-rechtliche System zu zerstören. Intendant Schächter rät er, standhaft zu bleiben und Brender in jedem Fall im Amt zu belassen. "Sollen ihn dann doch die Politiker der Gremien verklagen! Damit sind sie in den 70er Jahren schon mal beim NDR gescheitert", so Wickert.

Daneben gibt es mittlerweile mehrere Offene Briefe mit Appellen an die Verwaltungsrat-Mitglieder. So haben 17 namhafte deutsche Journalisten am Dienstag eine Erklärung gegen "einen massiven politischen Eingriff in die Unabhängigkeit" des ZDF unterzeichnet. Unter ihnen befinden sich unter anderem die "Stern"-Chefredakteure Thomas Osterkorn und Andreas Petzold, "Spiegel Online"-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron, Springers "Außenminister" Christoph Keese, Ex-"taz"-Chefredakteurin Bascha Mika und "FTD"-Chefredakteur Steffen Klusmann. Auch der Deutsche Journalistenverband warnte den Verwaltungsrat davor, die grundgesetzlich verankerte Rundfunfreiheit zu verletzen.

Daneben haben auch die Blogger hinter telemedicus.info, carta.info und netzpolitik.org, also Adrian Schneider, Thomas Mike Peters, Dr. Robin Meyer-Lucht und Markus Beckedahl einen Offenen Brief an die Mitglieder des Verwaltungsrats verfasst. Sie schreiben, dass "die inhaltliche Bewertung der bisherigen Arbeit des Chefredakeurs nicht dem Verwaltungsrat obliegen kann", da er anders als der Fernsehrat nicht als pluralistisch besetztes Gremium konzipiert sei. Daraus folge, dass die Bewertung der inhaltlichen Gestaltung des Programms auch allein dem Fernsehrat obliege.

Die Unterzeichner stellen dabei ausdrücklich klar, dass es nicht darum geht, für Brender Partei zu ergreifen. "Wir appellieren vielmehr an Sie, die Kompetenzverteilung des ZDF-Staatsvertrags zu achten und die Unabhängigkeit des Rundfunks zu bewahren". Der Offene Brief kann derzeit noch unterzeichnet werden und soll dann am Donnerstag dem ZDF übergeben werden. Unterdessen hat die Seite "Campact" bereits rund 25.000 Unterschriften für die Aktion "Hände weg von der Pressefreiheit" gesammelt.