Bild: NDR/Christian StellingHerr Hinrichs, ist die „Tagesschau“ schwer verständlich?

Wir meinen, dass die „Tagesschau“ verständlich ist, wissen aber auch, dass wir aber gerade an diesem Punkt stetig arbeiten müssen – und das tun wir auch. Wenn der Zuschauer in Umfragen die Verständlichkeit moniert, nehmen wir das nicht einfach so gelassen hin. Wir arbeiten permanent an der Verständlichkeit unserer Sendungen.

Worin sehen Sie die Gründe dafür, dass die „Tagesschau“ als schwer verständlich eingestuft wird?

Das liegt sicher auch daran, dass wir keinem Thema aus dem Weg gehen. Wenn die Föderalismusreform ansteht, dann müssen wir sie behandeln – und das machen wir, weil sie für unseren Staat wichtig ist. Die privaten Anbieter können es sich erlauben, so ein Thema außen vor zu lassen, weil sie darauf angewiesen sind, im Umfeld ihrer Nachrichtensendungen Werbung zu verkaufen. Das müssen wir nicht. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass wir versuchen müssen, gerade diese schwierigen Themen, an denen wir nicht vorbeigehen wollen, so aufzubereiten, dass man sie verstehen kann.

Wie machen Sie das?

Im Bereich Grafik zum Beispiel arbeiten wir gerade an neuen Lösungen. Anstelle von nichts sagenden Bildern, die betextet werden, versuchen wir über die grafische Aufbereitung Sachzusammenhänge klar zu machen, denen man auch folgen kann. Das sind dann zwar nicht mehr die bunten Bilder, die man leicht konsumieren kann, aber diesen Weg müssen wir gehen. Da gibt es sicher noch Verbesserungsbedarf.
 


Also eher eine Frage von Optik und Themen. Wie sieht es mit der Sprache aus?

Unsere Sätze bestehen aus Subjekt, Prädikat und Objekt. Wir sprechen ein sehr klares Hochdeutsch und sind permanent bemüht, nicht mit Fachgesetzen zu operieren. Das gelingt auch meist. Wir können aber die Dinge nicht einfacher machen, als sie sind – das wäre nicht vernünftig für uns als öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Sicher gibt es manchmal Grenzbereiche – an denen kann man nur an der Zeit schrauben, die man dem Thema in der Sendung einräumt. Das ist eine tägliche Diskussion, die wir in der Redaktion führen müssen.

Wie schwerwiegend stellt sich für Sie das Problem der Verständlichkeit dar?

Wir müssen hier die Kirche im Dorf lassen. Uns zu unterstellen, die Zuschauer hocken sich seit fünfzig Jahren vor die „Tagesschau“ und verstehen nichts, ist vermessen. Würden uns die Zuschauer in Scharen davonlaufen, wäre es in der Tat ein Problem. Bei neun Millionen Zuschauern täglich scheinen wir aber doch nicht nur manches ab und an falsch zu machen, sondern vieles meistens richtig. Außer Frage steht, dass es bei dem Richtigen noch Verbesserungsbedarf gibt. Unser Anspruch ist, eine Sendung zu machen, die alles beinhaltet, was am Tag wichtig war. Da ist sicher auch das ein oder andere Thema dabei, das für einzelne Zuschauer weniger Relevanz hat.

Die Präsentationsform von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ ist verhältnismäßig streng. Welches Gewicht haben die Gesichter zur Sendung?

Bei der „Tagesschau“ sagen wir ganz klar: Die Nachricht ist der Star. Wenn andere Sender nur zwei Gesichter für ihre Nachrichten haben, liegt das auch daran, dass sie nur zwei Sendungen am Tag haben. Wir haben mehr als 20. Deshalb haben wir bei der „Tagesschau“ das Sprecher-Prinzip, bei dem wir auf eine betont seriöse, nachrichtliche Berichterstattung setzen. Bei den „Tagesthemen“ setzen wir auch auf das Anchor-Prinzip. Da sind wird jetzt in einer Phase, in der wir innerhalb relativ kurzer Zeit gleich zwei neue Moderatoren bekommen haben. Wir haben mit Tom Buhrow und Caren Miosga zwei exzellente Journalisten, die schlicht noch ein wenig Zeit brauchen, um sich zu profilieren. Man darf nicht vergessen, dass laut Umfragen Ulrich Wickert der beliebteste und Anne Will die kompetenteste Nachrichtenmoderatorin war.

Wie wichtig ist das Internet für eine umfassende Nachrichtenberichterstattung?

Es ist völlig klar, dass wir bei ARD-aktuell auch das Internet als Ausspielweg nutzen. Die Filme unserer Sendungen können Sie auf „tagesschau.de“ seit Jahren abrufen. Gerade bei komplexeren Themen, die man in den Fernsehsendungen in einer Minute und dreißig Sekunden nicht erschöpfend behandeln kann, setzen wir den Hinweis auf unsere Internetseiten, auf denen mit der Expertise von ARD-Redakteuren die Themen programmbegleitend ausführlich behandelt werden. .

Wie viel Internet soll und darf denn öffentlich-rechtlicher Rundfunk machen?

Wenn man sich in Deutschland für ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem entscheidet, warum soll man damit nicht auch junge Menschen erreichen, die sich ihre Informationen im Internet suchen? Warum sollen wir das junge Publikum den Sendungen überlassen, die ihr Programm immer bunter machen und nur noch einen Politikanteil von höchstens zwanzig Prozent haben? Das ist bei jungen Leuten sehr beliebt und RTL macht das mit einer anderen Zielrichtung als wir sehr erfolgreich. Wir haben einen Informationsauftrag. Es ist nicht mehr so, dass alle Menschen um 20 Uhr gebannt vor dem Fernseher sitzen. Wir müssen die Menschen wann sie wollen und wo sie wollen erreichen.

Beim ZDF monieren einzelnen Korrespondenten eine Boulevardisierung. Ist das auch ein Problem bei ARD-aktuell?

Wir sehen das entspannt, weil wir uns ganz klar für die seriösen Themen entschieden. Es ist leicht, mehr Quote zu holen, wenn man Eisbär Knut sendet. Wir haben ihn gar nicht gesendet, weil uns die Sendezeit dafür zu Schade war. Das macht die „Tagesschau“ in einer Einzigartigkeit, die ihresgleichen sucht und ist damit unangefochtener Marktführer. Manchmal habe das Gefühl, andere Nachrichtensendungen versuchen sich in bunteren Gefilden, weil wir dieses Feld besetzen.

Mehr zum Thema

Wie ernst nehmen Sie die neuen Nachrichten bei Sat.1, die seit Montag in direkter Konkurrenz zur Hauptausgabe der „Tagesschau“ laufen?

Natürlich beobachten wir die Nachrichtensendungen, die andere auf den Markt bringen. Das wird aber nichts an unserer Sendung ändern. Das Erfolgsformat „Tagesschau“ steht. Unsere permanenten Veränderungen sind unabhängig von der Konkurrenz. Die kommerziellen Anbieter haben 25 Jahre Zeit gehabt, die öffentlich-rechtliche Nachrichtenschiene überflüssig zu machen. Es ist ihnen nicht gelungen.

Herr Hinrichs, vielen Dank für das Gespräch.