Am 3. Juni 2008 ging "Markus Lanz" erstmals im ZDF auf Sendung. Wenn der Moderator am Dienstag ins Programm zurückkehrt, hat seine Sendung also mittlerweile schon zehn Jahre auf dem Buckel. Dass es soweit kommen konnte, hat Lanz auch Johannes B. Kerner zu verdanken. 2008 und 2009 war er zunächst nur dessen Sommervertretung, ehe Kerner sich in Richtung Sat.1 verabschiedete - ein Fehler, wie Kerner später einräumte. Lanz übernahm Kerners Sendeplatz und sendete zunächst zweimal wöchentlich, ab 2010 dann dreimal in der Woche. Kerner ist zwar längst zurück beim ZDF, doch der Talkshow-Sendeplatz am späten Abend gehört weiterhin Markus Lanz. An dem gibt es immer viel Kritik, doch der Erfolg gibt ihm und den Machern recht. Doch was macht die Sendung eigentlich aus?

1. Die Gästeauswahl

Markus Heidemanns© privat
Es ist das schwerste Pfund, mit dem Lanz wuchern kann. In der Sendung begrüßt der Moderator stets eine bunte Mischung aus bekannten Persönlichkeiten und Menschen, die weniger bekannt sind und trotzdem interessante Geschichten zu erzählen haben. "Die Themen-Vielfalt und Art der Moderation unterscheidet uns sicherlich am deutlichsten von anderen Talk-Formaten", sagt Produzent Markus Heidemanns (Foto rechts) im Gespräch mit DWDL.de. Los geht es meist mit den Politikern in der Sendung oder tagesaktuellen und gesellschaftspolitischen Themen. "Im besten Fall passt der prominente Gast in der Mitte der Sendung, zum ersten Thema, bringt sich dadurch auch hier schon früh ins Gespräch ein", sagt Heidemanns.

Hinten raus wird es dann oft bunt und es geht um Geschichten, die man im Idealfall so noch nie gehört hat. "Snackable Content" würde man das neudeutsch wohl übersetzen. Und so kann es sein, dass der Bundespolitiker in einer Runde mit einem Verhaltensforscher sitzt, Til Schweiger auf Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen trifft oder AfD-Chef Alexander Gauland neben Atze Schröder Platz nimmt. Highlight-Gast der vergangenen Staffel war der ehemalige FBI-Direktor James Comey, der über sein Verhältnis zu Donald Trump sprach.

2. Der Moderator

Seit Markus Lanz seine Talkshow moderiert, ist er regelmäßig Kritik ausgesetzt. Fast schon legendär ist das Video, das der Medienjournalist Stefan Niggemeier zusammengeschnitten hat: Markus Lanz ist da in vielen Sendungen zu sehen, wie er immer wieder die gleichen Fragen stellt und seine Gäste auf die immer gleiche Art und Weise begrüßt. Daran kann man sich stoßen, letztendlich kommt es aber ja darauf an, was am Ende bei jeder einzelnen Sendung rum kommt. Das ist oft mehr als man denkt und das hat das ZDF allen voran Markus Lanz und seinem Team zu verdanken. Seit der ersten Folge 2008 ist Lanz eine Art Wolf im Schafspelz: Er ist stets nett und freundlich und vermittelt seinen Gästen das Gefühl, es würde sich um ein persönliches Gespräch handeln. Weichen die Gäste in ihren Antworten auf die Fragen aus, kann er aber auch hartnäckig nachfragen oder bissig kommentieren.

"Um so ein Format zu moderieren, muss der Moderator eine unglaubliche Bandbreite an Wissen und an Interesse mitbringen, um allen Gästen und Themen gleichermaßen gerecht zu werden", sagt Heidemanns. "Und das zeichnet Markus Lanz ganz besonders aus. In wirtschaftspolitischen Themen mit Professoren auf Augenhöhe zu diskutieren, gleichzeitig, der einzigen Ameisenbärenforscherin der Welt Faszinierendes zu entlocken und mit Herbert Grönemeyer über die Art des Komponieren zu fachsimplen - dazu gehört schon viel Wissen, Lesen und Leidenschaft." Tatsächlich ist Lanz stets sehr gut auf seine Gäste vorbereitet, was er freilich auch seiner Redaktion zu verdanken hat. "Ich glaube, dass es wenige Redaktionen gibt, die so gut arbeiten und funktionieren wie unsere", sagte Lanz zuletzt in einem ZDF-Interview. Er verlasse sich blind auf seine Kollegen. "Wenn also in einem Dossier etwas drinsteht, dann gehe ich davon aus, dass es ganz sicher stimmt. Wenn es nicht stimmt, habe ich ein Problem – das wissen die Kollegen auch. Deswegen wird so ein Dossier in aller Regel sehr akribisch erstellt und auch von den Teamleitern nochmal sehr akribisch nachgearbeitet. Das, was ich dann in die Hand kriege, ist in aller Regel ein richtiges Qualitätsprodukt." Dafür sei er sehr dankbar, Fernsehen sei in erster Linie ja ohnehin Teamarbeit. 

Vor der Kamera ist Lanz aber auf sich alleine gestellt und dann merkt man, wie akribisch er sich auf seine Gäste vorbereitet hat ("Stimmt es eigentlich, dass Sie einmal gesagt haben…?"). Das wirkt teilweise so, als würde er nur ein Programm abspulen, ist aber Gold wert, wenn sich etwa Politiker in Ausflüchte retten wollen, Lanz aber im Thema ist und sie so festnageln kann. Manchmal aber wünscht man sich einen Co-Moderator herbei, der ihn wieder einfängt. Lanz hört sich das ein oder andere Mal selbst zu gerne reden und würde, so scheint es, den Zuschauern am liebsten selbst die Welt erklären. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass er seinen Stil über all die Jahre hinweg beibehalten hat. Selbst nach dem "Wetten, dass..?"-Fiasko blieb er seiner Linie treu und machte mit seiner Talkshow weiter. Andere hätten aufgrund der harschen Kritik in den Medien vielleicht aufgehört, Markus Lanz aber setzte seine Sendung fort und ist relativ unbeschadet aus seinem Primetime-Ausflug herausgekommen. Fragen und Anspielungen dazu lächelt er in seiner Talkshow bis heute weg.

 3. Die Atmosphäre

Markus Lanz schafft es immer wieder, eine ganz bestimmte Atmosphäre zu schaffen, bei der sich die Gäste wohl fühlen und deshalb auch gerne plaudern. Wichtig ist dafür mit Sicherheit auch die Zusammenstellung der Gästerunden. Politische Talkshows wie "Anne Will" oder "hart aber fair" wirken immer sehr konfrontativ, weil alle aufeinander einreden und das beste Argument für sich beanspruchen. Bei "Markus Lanz" gibt es dieses Duell um den vermeintlichen "Sieg" nicht. Lanz selbst sagte kürzlich, wie er seine Gäste zum Reden bringt: "Es geht eigentlich immer darum, eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen, die das möglich macht. Dann erzählt jemand möglicherweise Dinge, die er so noch nie erzählt hat. Mich hat sehr die Geschichte von Jochen Busse beeindruckt, der über seinen Vater erzählt hat, ein ehemals sehr erfolgreicher Fabrikant, der irgendwann in Schwierigkeiten geriet und pleite ging, und der sich mit seinem Sohn sehr harte Kämpfe lieferte, teils auch gewalttätig, weil dieser unangenehme Fragen zur Nazizeit stellte."

4. Keine Effekthascherei

In "Markus Lanz" geht es tatsächlich um eins: den schlichten Talk zwischen Moderator und Gast. Da braucht es dann auch keine zwanghaft eingestreuten Facebook-Postings von Zuschauern, die den Fluss der Sendung in ähnlichen Fällen oft nur stören. Natürlich ist es wie bei so vielen anderen Formaten: Gäste kommen manchmal auch nur, um gewisse Projekte zu promoten. "Markus Lanz" ist immer dann am stärksten, wenn es genau darum nicht geht und die Gäste stattdessen während des Gesprächs irgendwann die Kameras vergessen.

5. Der Überraschungseffekt

Die ZDF-Talkshow weiß seine Zuschauer immer wieder zu überraschen. Meist verhält sich das so: Besonders wenn man anhand der Gäste-Konstellation glaubt, die Sendung würde langweilig werden, passiert genau das Gegenteil. Weil man Geschichten hört und Sachen erfährt, die einem neu sind. Das ist vielleicht ein wenig pauschal gesprochen, viele "Markus Lanz"-Zuschauer aber werden das Gefühl kennen. "Ich glaube, dass das eines der besonderen Merkmale der Sendung ist, den Zuschauer zu überraschen", sagt Markus Heidemanns gegenüber DWDL.de. "Einem bekannten, prominenten Gesicht nicht die fünf klassischen Fragen zu stellen, einem Politiker keine Phrasen durchgehen zu lassen, ein Gespräch mal einfach in eine Richtung laufen zu lassen, von der Markus und wir gar nicht wissen, wo es hinführen wird - das sind die wahren Überraschungen, die eine Talkshow bieten kann."

"Ich glaube, dass das eines der besonderen Merkmale der Sendung ist, den Zuschauer zu überraschen."
"Markus Lanz"-Produzent Markus Heidemanns

Gerade bei den Politikern weiß "Markus Lanz" immer wieder zu überraschen. Oft sind das Medienprofis, die vermeintlich wissen, wie sie antworten müssen, um nicht in eine Falle zu tappen. Meist verfangen sie sich dann in Phrasen oder undurchsichtigen Sätzen. Lanz hakt hier oft nach und selbst wenn am Ende die Erkenntnis steht, dass der Politiker einfach nicht konkreter antworten will - das ist doch mal was. Zumal es im deutschen Fernsehen nicht oft vorkommt. Als Union, Grüne und FDP vor Monaten noch um eine Jamaika-Koalition verhandelten, war Cem Özdemir zu Gast bei Markus Lanz. Der Politiker war damals als Außenminister gehandelt worden. Lanz sprach ihn so oft darauf an, dass Özdemir am Ende derart in die Defensive geriet, dass man annehmen konnte, er geht selbst davon aus, bald dieses Amt zu bekleiden - nur sagen konnte er das damals noch nicht. 

 6. Allein auf weiter Flur

Es gibt auf den großen Sendern kein ähnliches Format, das auch nur annähernd so erfolgreich ist. Im vergangenen Jahr kam die Sendung im Schnitt auf 1,58 Millionen Zuschauer und 13,5 Prozent Marktanteil, im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es 1,66 Millionen und 13,3 Prozent. Die Anfangszeiten variieren stark, dennoch hat "Markus Lanz" eine treue Zuschauerschaft. Bei dem Erfolg ist es eigentlich verwunderlich, dass sich noch kein anderer Sender an einer Kopie versucht hat. Bei den Öffentlich-Rechtlichen dominieren zumeist die harten Polit-Talks, Lanz bekommt im Gespräch mit den einzelnen Politikern aber auch oft viel interessantere Aussagen als die Kollegen. Das ist natürlich dem Umstand geschuldet, dass er auch einfach mal 15 bis 20 Minuten mit dieser einen Person sprechen kann. Hinzu kommt die Bandbreite der Gäste, von Persönlichkeiten des Sports über Schauspieler bis hin zu Ärzten und Journalisten - sie alle machen aus der Sendung ein lockeres Unterhaltungsformat.

Langzeittrend: Markus Lanz
Markus Lanz

7. Der gelernte Sendeplatz

Trotz der Tatsache, dass es durch die verschiedenen Vorläufe keinen festen Sendebeginn gibt, kann man sich durch die Sendezeit von mehr als einer Stunde sicher sein, bei "Markus Lanz" zu landen, wenn man irgendwann am späten Abend zum ZDF zappt. Der späte Sendeplatz ist ideal für das Format. Hier haben die Zuschauer den Tag schon weitestgehend beendet und haben die nötige Zeit und Ruhe, um den Gesprächen zu folgen. Durch die relativ strikte Trennung der Gespräche ist es zudem am nächsten Tag einfach, sie einzeln in der Mediathek nachzuschauen.

So wie der späte Sendeplatz von den Zuschauern gelernt ist, trifft gleiches auch für die Optik und den Ablauf der Sendung zu. Markus Lanz stellt seine Gäste immer auf die gleiche Art und Weise vor, auch seine Fragen kommen seit Jahren sehr ähnlich daher. Das kann man langweilig und vorhersehbar finden. Markus Heidemanns sagt dazu: "Die optischen Veränderungen von Coca Cola oder Nivea sind über die Jahrzehnte auch nur wenigen Menschen aufgefallen. Ablauf, Zusammenstellung und Moderation der Sendung sind Gottseidank zum Markenzeichen unseres Talks geworden." Man entwickle sich Tag für Tag weiter, das Grundkonzept sei aber seit inzwischen sieben Jahren gleich. "Wir haben im Laufe der Zeit die Gäste- und Themen-Auswahl etwas reduziert, um für die jeweiligen Geschichten mehr Zeit zu haben."

Fazit

Mit "Markus Lanz" ist dem ZDF ein echter Glücksgriff gelungen. In der Sendung geht es nicht primär um Politik, gleichzeitig behandelt man immer wieder gesellschaftsrelevante Themen. Der Moderator ist hier, im Gegensatz zur großen Samstagabendbühne, bestens aufgehoben und blüht in den Gesprächen regelmäßig auf. Man merkt Lanz auch nach mehr als 1.000 Folge sein ehrliches Interesse an den Gästen an, hinzu kommt eine minutiöse Vorbereitung auf die Gesprächspartner. Auch wenn Lanz manchmal zu glauben scheint, dass seine Fragen mitunter wichtiger sind als die Antworten und seine Gegenüber mit unnötigen Suggestivfragen löchert oder sie ständig unterbricht: Im Großen und Ganzen macht er einen richtig guten Job. Und es sieht nicht danach aus, als würde ihm nach zehn Jahren die Lust vergehen. "Es hat tatsächlich noch nie so viel Spaß gemacht wie im Moment", sagte er zuletzt. "Das liegt natürlich auch daran, dass wir gerade in unglaublich spannenden, wenngleich auch komplizierten und irgendwie mühsamen Zeiten leben."