Wenn in den vergangenen Jahren von einer Vertrauenskrise der Medien die Rede war, waren damit meist etablierte Medienmarken gemeint. Gefühl ist die Kritik an "Tagesschau", "heute" und anderen etablierten Nachrichtenmarken wie "RTL Aktuell" zuletzt größer geworden. In Zahlen belegen lässt sich das aber kaum, denn nach wie vor informieren diese und andere Sendung täglich Millionen Menschen. Ein grundsätzlich sinkendes Interesse an TV-Nachrichten ist nicht festzustellen - eher das Gegenteil ist der Fall.

So ist und bleibt die "Tagesschau" das Flaggschiff im deutschen Fernsehen, die Nachrichtensendung konnte ihre Position zuletzt sogar noch ausbauen. Rechnet man auch die Ausstrahlung in den Dritten Programmen, bei 3sat und Phoenix mit ein, kam die 20-Uhr-"Tagesschau" 2014 noch auf 8,96 Millionen Zuschauer. Diese Reichweite konnte man zuletzt erheblich steigern - bis auf 10,18 Millionen im vergangenen Jahr. Zu diesem Wachstum beigetragen hat nicht unwesentlich der BR, der die "Tagesschau" nach jahrelanger Weigerung seit April 2016 ebenfalls zeigt. Aber auch die Ausstrahlung im Ersten steigerte sich zuletzt von 4,94 Millionen Zuschauern (2014) auf 5,21 Millionen Zuschauer in 2017. Im laufenden Jahr kommt die "Tagesschau" bislang sogar auf 5,67 Millionen Zuschauer - da die zuschauerarmen Sommermonate aber erst noch kommen, lässt sich die Zahl noch nicht mit den letzten Jahren vergleichen. Dennoch: Das Wachstum der "Tagesschau" in den vergangenen Jahren ist beachtlich.

Auch die ZDF-Nachrichtensendung "heute" ist in den zurückliegenden Jahren gewachsen, wenn auch nicht ganz so stark wie die "Tagesschau". Die Mainzer erreichten mit der Sendung 2014 im Schnitt noch 3,54 Millionen Zuschauer, 2017 waren es 3,71 Millionen. Rechnet man die Ausstrahlung bei 3sat hinzu, erreichte "heute" im vergangenen Jahr fast vier Millionen Zuschauer jeden Tag. Beim jungen Publikum ist "heute" dagegen kein Erfolg: Seit Jahren dümpelt der Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen zwischen fünf und sechs Prozent herum. Ganz anders die "Tagesschau": Hier konnte man sich zuletzt auf starke 14,0 Prozent verbessern. Gemeinsam mit den Dritten bringt es die Sendung sogar auf 21,3 Prozent.

Reichweiten-Trend: TV-Nachrichten (gesamt)

Reichweitenentwicklung gesamtDie Entwicklung der Zuschauerzahlen (Gesamtpublikum) seit 2014.

Interessant ist auch ein Blick auf die ganz jungen Zuschauer im Alter zwischen 14 und 29 Jahren. In dieser Altersklasse hatte ProSieben mit "Newstime" in den zurückliegenden Jahren stets die mit Abstand meisten Zuschauer aller Einzelsendungen (also ohne Ausstrahlung in den Dritten Programmen). Das hat sich inzwischen aber geändert: 2017 lag man mit 210.000 Zuschauern in diesem Alter auf einem Niveau mit der "Tagesschau", "RTL Aktuell" und den "RTL II News". Im laufenden Jahr liegt "Newstime" nun bereits hinter der Konkurrenz. "Newstime" kann damit nicht mehr für sich reklamieren, die stärkste Nachrichtensendung bei den ganz jungen Zuschauern zu sein. Dass man gleich auf Rang vier durchgereicht wurde, ist ein eindeutiges Signal.

Denn überhaupt hat "Newstime" zuletzt deutlich an Zuspruch verloren: Lagen die Marktanteile bis einschließlich 2016 in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen konstant bei mehr als elf Prozent, so ging es 2017 recht deutlich auf 9,7 Prozent nach unten. Und es sieht so aus, als ob der Abwärtstrend weitergehen würde: 8,3 Prozent stehen derzeit für 2018 auf dem Konto der ProSieben-Nachrichtensendung. "Newstime" leidet auch am insgesamt schwächeren Abschneiden des Senders am Vorabend. Auch bei den ganz Jungen zwischen 14 und 29 ging es von früher rund 20 Prozent auf 15,4 in 2017 zurück, derzeit liegt man bei nur noch 12,0 Prozent.

Dauer-Sorgenkind Sat.1

Während man "Newstime" bei gewissen Zielgruppen aber noch eine bestimmte Relevanz zusprechen kann, sieht das bei den "Sat.1 Nachrichten" anders aus. Die Sendung bewegt sich seit Jahren auf einem Niveau deutlich unterhalb des Senderschnitts von Sat.1 - und das in allen Zielgruppen. Bei den 14- bis 49-Jährigen kam die Sendung 2017 auf nur 6,6 Prozent Marktanteil. Auf diesem Niveau lag man in den Jahren davor auch. Dass sich die "Tagesschau" zuletzt sogar steigern konnte, macht es für die "Sat.1 Nachrichten" natürlich nicht einfacher. Derzeit droht man sogar, hinter die "RTL II News" zurückzufallen. Während diese im laufenden Jahr auf 520.000 Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren kommen, liegen die "Sat.1 Nachrichten" mit 540.000 Zuschauern nur noch knapp vorn.

Reichweiten-Trend: TV-Nachrichten (14-29 Jahre)

Reichweitenentwicklung 14-29Die Entwicklung der Zuschauerzahlen (14-29) seit 2014.

Dabei hatten auch die "RTL II News" in der Vergangenheit so ihre Probleme. Von 6,9 Prozent (14-49) im Jahr 2014 ging es in den Jahren danach kontinuierlich bergab - bis auf 5,0 in 2017. Und auch in der Haupt-Zielgruppe der Sendung, den 14- bis 29-Jährigen, ging es zuletzt deutlich nach unten, wenngleich man mit durchschnittlich 9,3 Prozent noch immer sehr gut dasteht. In den Jahren davor waren allerdings immer mehr als elf Prozent drin. Hier machte sich in den vergangenen Jahren besonders die Quotenentwicklung von "Berlin - Tag & Nacht" bemerkbar. Derzeit ist die Soap aber wieder im Aufwind - und das könnte auch den Nachrichten helfen. 

Wenig Bewegung gibt es dagegen bei "RTL Aktuell", das sich in den zurückliegenden Jahren meist bei rund 15,5 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe einpendelte. Allerdings bröckeln die Reichweiten schleichend: 2017 lag man mit 940.000 Zuschauern im Alter zwischen 14 und 49 Jahren erstmals unter der Marke von einer Million. Insgesamt bewegt sich die Nachrichtensendung mit Peter Kloeppel langsam auf die Marke von drei Millionen Zuschauer zu, das ist für RTL aber sicher zu verschmerzen.

Auch wenn einige Nachrichtensendungen hier und da zuletzt Reichweiten und Marktanteile verloren haben, lässt sich dennoch festhalten, dass zumindest die Reichweitenentwicklung keinerlei Anhaltspunkte für eine handfeste Vertrauenskrise liefern. 19,95 Millionen Zuschauer erreichten alle Nachrichtensendungen zusammengenommen im Jahr 2017, das waren rund 800.000 mehr als noch 2014. Eine Krise sieht anders aus. 

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