Ein Kleinganove wird für den neuen Pfarrer gehalten. Schneller und einfacher lässt sich kaum eine Fernsehserie auf den Punkt bringen. Die Prämisse von „Sankt Maik“ ist die erste große Stärke der Serie, weil es im immer intensiveren Wettbewerb von Sendern und Plattformen schon vor der ersten Sendeminute die wichtigste Hürde zu überspringen gilt: Neues Programm will überhaupt erst einmal gefunden werden. Selbst RTL als Marktführer unter den deutschen Privatsendern hat das in den vergangenen Jahren mit manchem fiktionalen Prestige-Projekt schmerzhaft gelernt. Aber natürlich reicht Aufmerksamkeit allein nicht.



„Sankt Maik“ hingegen ist aber dann auch ziemlich knackig und gefällig - also die Serie. Darsteller Daniel Donskoy auch, könnte man ergänzen. Mit dem Charme des in Deutschland bislang unbekannten Schauspielers weiß RTL schon in der Bewerbung der Serie zu spielen. Ein Projekt ganz auf seinen Hauptdarsteller zugeschnitten - man könnte Donskoy fast als Christian Lindner der RTL-Fiction bezeichnen, wäre da nicht der eklatante Unterschied, dass der 27-jährige Schauspieler mit seiner ansteckenden Spielfreude alle Kritiker begeistert. Außerdem wird man sich in Köln mehr erhoffen als 10,7 Prozent.

Wer um 20.15 Uhr bei RTL einschaltet, wird gleich reingeworfen in die Story. Es dauert gerade einmal drei Minuten und zehn Sekunden bis aus dem Kleinganoven, der als Schaffner verkleidet die Fahrgäste einer Regionalbahn beklaute, unser falscher Pfarrer geworden ist. Ein just im Zug verstorbener Geistlicher brachte die so dringend benötigte Tarnung vor den Bestohlenen und der Polizei. Wenn im Bahnhof bloß nicht schon Pfarr-Haushälterin Maria (herzlich gespielt von Susi Banzhaf) warten würde! Aber so geraten wir als Zuschauer gemeinsam mit Kleinganove Maik schnell von einer misslichen Lage in die nächste. Ein bekanntes Rezept.

Tempo, Realismus und Leichtigkeit des Einstiegs der Serie allein machen schon schnell deutlich: Hier wird alles etwas drüber sein. An dieser Stelle scheiden sich bei „Sankt Maik“ ganz sicher schon die Geister. Wer zu ernsthaft hinterfragt, wie realistisch manche der Begegnungen des falschen Pfarrers sind, wird alles an der Serie für reichlich albern halten. Es würde aber dem Genre nicht ganz gerecht: Jede Verwechslungskomödie lebt einerseits von der Steigerung der Absurdität und andererseits einer als gegeben zu akzeptierenden Ursprungsverwechslung.

Oder anders gesagt: Wer bei „Sankt Maik“ fehlenden Realismus sucht, muss sich nicht erst darüber wundern, wie Sankt Maik bei seinem ersten improvisierten Gottesdienst am Ende der ersten Folge von der Gemeinde aufgenommen wird. Der könnte auch gleich damit anfangen, dass die identifizierbare Leiche des echten Pfarrers dem Ganoven eigentlich sehr schnell ein Ende setzen müsste. Aber wo bliebe da der Spaß? „Sankt Maik“ will genau das sein. Erklärtermaßen gute Laune nach der Arbeit - und das liefert die von Vivien Hoppe geschriebene Dramedy aus dem Hause UFA Fiction. Sie erzählt eine „Fish out of the water“-Situation im Gewand einer Verwechslungskomödie als recht flottes Abenteuer. Man darf gespannt sein, wie lange sich das erzählen lässt.

Die Serie scheitert wenn, dann an falschen Erwartungen. Mit der von Fiction-Chef Philipp Steffens verantworteten Serien-Offensive will RTL viel, aber eins ganz sicher nicht: Die gefeierten Serien von Netflix, Amazon und der Pay-TV-Sparte links überholen. Das war einst die Strategie mit „Deutschland 83“ oder auch der geplanten, aber dann wieder gestrichenen Hitler-Serie. „Sankt Maik“ hingegen ist sozusagen der Gegenentwurf zu Netflix, Amazon und Co.: Dem Wettbewerb der High-Concept-Serien mit komplexen fiktionalen Welten, die tief eintauchen lassen, stellt RTL eine flotte Leichtigkeit entgegen, in der niemand ertrinkt. Erklärtermaßen Unterhaltung für den Feierabend.

Und das ist gut so. Es ist so furchtbar anstrengend, dass sich seit Jahren jede neue Serie an der Frage messen lassen muss, ob sie der nächste ganz große Hit wird. RTL ist aus dem Hamsterrad gesprungen und macht mit „Sankt Maik“ stattdessen Programm, das dem eigenen Publikum vertraut vorkommen wird. Für die nötige erfrischende Überraschung sorgt die gelungene Besetzung: Daniel Donskoy bringt eine Spielfreude samt intensiver Mimik mit, die man so lange nicht erlebt hat. Es mangelt Donskoy ja auch nicht an Schauspiel-Erfahrung, wenn gleich die RTL-Serie seine erste Hauptrolle ist.

Klar ist also jetzt schon: Unabhängig von „Sankt Maik“ ist Donskoy gekommen, um zu bleiben, aber auch der Serie kann man Erfolg wünschen. Mit horizontaler Erzählung ohne den klassischen Fall der Woche einer Krimi-, Anwalts- oder Arztserie hebt sie sich ab von den anderen neuen RTL-Serien. Ja, sie erfindet das Rad nicht neu. Aber das wollen scheinbar ohnehin eher die Kritiker als das deutsche Publikum - eine Fernsehnation, die mit Blick auf die Quoten am liebsten Kriminalgeschichten in Endlosschleife schaut und sich von ein und der gleichen Sitcom in Dauerwiederholung berieseln lässt.

Will sagen: Hier ist RTL den pragmatischen Weg gegangen und liefert seinem Publikum vertraute Unterhaltung. „Sankt Maik“, der zur Serie gewordene Claim „Willkommen zuhause“.

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RTL zeigt "Sankt Maik" ab heute immer dienstags um 20:15 Uhr, zum Start in einer Doppelfolge.