Am 25. August 1967 betätigte Willy Brandt auf der Funkausstellung in West-Berlin einen roten Buzzer, mit dem der damalige Vizekanzler symbolisch die Farbe im Fernsehen anschaltete. Was danach aus dem Fernsehen wurde, ist hinlänglich bekannt. Der Buzzer hatte noch zahlreiche Cameo-Auftritte in unzähligen Quizshows, ist inzwischen aber verschwunden. Mögen Sie bitte mal kurz bei sich auf dem Dachboden nachsehen, ob er da durch Zufall rumsteht? Oder im Keller, in der Garage vielleicht? Weil: Wenn er die Kiste angekriegt hat, lässt er sich vielleicht so manipulieren, dass er sie auch wieder ausschaltet. Wenigstens die Farbe oder den Ton. Dann würden wir uns in den kommenden Wochen zumindest teilweise die weiteren Ausgaben der ZDF-Show „Wir lieben Fernsehen!“ ersparen.

Mit der wollte das Zweite eigentlich 50 Jahre Farbfernsehen feiern. Die Premiere ist dann aber leider bloß ein ziemlich farbloses Best-of-Zapping durch deutsche Serien und Mehrteiler geworden, aus denen zusammenhanglos Szenen entnommen und neu zusammengeflickt wurden, um ein paar Allgemeinplätze dazu aufsagen zu können.

Unter computeranimiertem Studiohimmel empfingen Johannes B. Kerner und Steven Gätjen als Gastgeber dazwischen „Unsere größten Film- und Serienstars“ (Barbara Wussow, Wolfgang Stumph, Hans Sigl, Mariele Millowitsch), um zum Beispiel deren schönste Fernseherinnerungen abzufragen. „Hans, ‚Derrick geguckt?“, wollte Gätjen von Sigl wissen, und der antwortete: „Ja.“ Kerner fragte Marie-Luise Marjan: „Was war der schönste 'Lindenstraßen'-Moment?“ – "Ach, das kann man gar nicht sagen.“ Als später auch noch Chef-Hostess Beatrice alias Heide Keller aus dem „Traumschiff“ für einen kurzen Stehplauder vorbeicruiste, konnte Kerner kaum an sich halten, bevor es aus ihm herausplatze: „Traumjob, oder?“ – „Ja – und nein.“

Das fasst diesen Donnerstagabend im ZDF eigentlich ganz gut zusammen. Als Würdigung des Mediums oder seiner inhaltlichen Leistungen taugten die anderthalb Stunden in dieser Form aber ganz und gar nicht.

Als Sammelsurium der unnützen Quatschdetails schon eher. Oder hätten Sie gewusst, dass Pamela Anderson – extra eingeflogen, um ein halbes Stündchen neben Mutter Beimer zu sitzen und drei Worte über „Baywatch“ zu verlieren – mal ganz viele rote Badezüge bei sich zuhause im Schrank hatte, die aber gestohlen wurden? Dass die Schwester von Mariele Millowitsch Salzstangen mit den Zehen essen kann? Und dass es bei Gätjens zuhause immer Bananenquark und Käsetoast zur Glotze gab? Das alles haben wir dem Farbfernsehen zu verdanken.

Wir lieben Fernsehen!© ZDF/Sascha Baumann

Sonderlich große Mühe dürfte diese uninspirierte Serien- und Mehrteilerabzählerei („Schwarzwaldklinik“! „Der Alte!“ „Tatort“! „Rosamunde Pilcher!“ „Der große Bellheim!“) bei der zuständigen Produktionsfirma Riverside wohl niemandem gemacht haben. Für echte Fernsehliebhaber war das permanente Titeldropping nicht erkenntnisreich genug, und alle, die sich ganz gerne anderthalb Stündchen unterhalten lassen hätten, dürften angesichts akuter Aktionslosigkeit recht bald ins Gähnen gekommen sein.

Titelmelodienraten und Arztdiagnosenzuordnen (Gätjen: „Wir machen ein Doktorspiel, um unsere Ärzte auf Herz und Nieren zu prüfen“) war das Ausgeflippteste, was die Gastgeber in ihrer Show zu bieten hatten, die ohnehin eher ein erweiterter Sitzkreis mit rotierender Couch war, vor die nicht mal jemand themengerecht ein paar Snacks gestellt hatte, wie „Bergdoktor“ Sigl zurecht monierte.

Den vielleicht peinlichsten Moment provozierte Wolfgang Stumph, allerdings ohne Schuld daran zu sein – sondern bloß mit dem freundlichen Hinweis, dass bei all den tollen Serien, an die man sich da gemeinsam zurückerinnerte, keine einzige aus der früheren DDR war. „Wir hatten übrigens auch schon Fernsehen“, erinnerte Stumph säuerlich-höflich. Die Moderationsmuppets wussten auch nicht so recht, wie sie darauf reagieren sollten, also lächelten sie den berechtigten Einwand einfach weg. Der nächste Gast, bitte!

Dass in früheren Jahren zudem das Privatfernsehen einen nicht ganz unwesentlichen Teil zur deutschen TV-Serienkultur beigesteuert hat, war in der öffentlich-rechtlichen Selbstbeweihräucherung abgesehen von einem Ausflug in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ eher am Rande zu ahnen. Zwischendurch hat jemand „Ein Schloss am Wörthersee“, „Nikola“ und „Deutschland 83“ gesagt, aber das musste wirklich reichen. Die Ausschnitte aus ZDF-Produktionen wie „Das Adlon“ und „Ku’damm 56“ waren vermutlich ohnehin günstiger zu kriegen gewesen.

Ganz zum Schluss bekam Mario Adorf noch den virtuellen Bauchpinsler für sein Lebenswerk verbal überreicht und durfte beteuern, als Bösewicht in „Winnetou“ niemals einer Häuptlingstochter ernsthaften Schaden zugefügt zu haben, auch wenn ihm viele Zuschauer das über Jahre nicht abnehmen wollten. Anschließend war glücklicherweise Sendeschluss bei dieser faden Geburtstagsparty, die in der kommenden Wochen wie gesagt ihre Fortsetzung findet, wenn der Widerstand nicht groß genug ist. Oder um’s mit Heide Keller zu sagen, die bei ihrer Studioverabschiedung rief: „Danke dem Publikum! Weiter einschalten.“

Was sagen Sie? Der Brandt-Buzzer steht bei Ihnen unter der Spüle? Moment, bin schon unterwegs.