RTL gelingt nach „Ninja Warrior Germany“ im vergangenen Sommer die nächste Überraschung in der Fernsehunterhaltung. Hätte vor einem Jahr kaum jemand gedacht, wie kurzweilig es sein kann, immer und immer wieder Menschen auf einem spektakulären Hindernisparcour bei Erfolg oder Scheitern zu beobachten, so wenig erfolgsversprechend klingt die Grundvoraussetzung von „The Wall“: RTL baut mal wieder eine große Wand auf. Das hat ja bei „Rising Star“ schon so gut funktioniert.



Auch im Sender kann man über den Vergleich herzhaft lachen - weil man sich sicher ist, diesmal mit EndemolShine Germany etwas weitaus Besseres produziert zu haben. Und nach Sichtung der Pilotfolge, die aufgrund des U21-EM-Finales um einen Tag geschoben wurde, lässt sich bestätigen: Diese Show ist Entertainment in Bestform. In einer Zeit, in der bei Shows sonst die  Mutlosigkeit regiert und reihenweise Promi-Quiz, Casting oder neuerdings die x-te „Y gegen Z“-Duellshow probiert werden, liefert RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger mit „The Wall“ eine willkommene Abwechslung.

In drei Runden spielen Kandidatenpaare erst gemeinsam, dann getrennt, um das ganz große Geld - mehrere Millionen Euro könnten es werden. Doch die Wand hat etwas dagegen. Ob Quizfragen richtig oder falsch beantwortet werden, ist nur die halbe Miete. Dies entscheidet nur, ob die Bälle auf der Wand grün oder rot werden - also Gewinn oder Verlust bedeuten ("Die Wand hat's gegeben. Die Wand hat's genommen"). Eine richtig beantwortete Frage kann im schlimmsten Fall nur einen Euro bringen, eine falsche Antwort bis zu 250.000 Euro kosten.

In Isolation - einem klinisch kahlen Raum, dem „Kühlschrank“, wie in der Sendung gescherzt wird - muss im Finale einer der beiden Kandidaten entscheiden ob er einen Vertrag mit garantierter Gewinnsumme unterschreibt - oder ohne etwas davon mitbekommen zu haben, darauf vertraut, dass vorne vor der Wand mehr gewonnen wurde. Bittersüße Unterhaltung. Achten Sie mal beim Finale auf den Behälter, in dem der Vertrag verschickt wird: Es handelt sich um eine Thermoskanne. „Raumpatrouille Orion“ lässt grüßen.

Mit der Mischung aus Quiz- und Gameshow, bei der das Beantworten von Fragen zwar eine Rolle spielt, aber nicht dominiert, bietet „The Wall“ weitere Ansatzpunkte: Wenn die Bälle die überdimensionale Wand hinunterfallen und über die Gewinnsumme oder auch Verluste der Kandidaten entscheiden, dann fiebert man unweigerlich mit, was auch am gelungenen Casting der Kandidaten liegt. Sie haben in Moderator Frank Buschmann einen Komplizen im Kampf gegen die Wand, die Buschmann regelmäßig auf die ihm eigene Art beschimpft.

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Frank Buschmann. Der war einst die sympathische Stimme aus dem Off. Seine Omnipräsenz vor der Kamera und seine direkte Art, haben ihm zuletzt nicht nur Freunde beschert. Doch entgegen aller Skepsis: „The Wall“ und Buschmann - das passt. Das Bühnenbild spielt dabei eine wichtige Rolle: Auf der großen Fläche vor der Wand haben er und die Kandidaten Bewegungsspielraum. Statt an statischen Pulten, erleben wir so nervöse Kandidaten und einen ebenso nervösen Moderator - die in nervenzerreißenden Momenten wild gestikulierend dankbare Bilder liefern.

Der Stimmung zuträglich ist auch die Tatsache, dass das Studiopublikum im dunklen Hintergrund bleibt. Zuletzt kam es ja in Mode, besonders euphorische Zuschauerreaktionen in Großaufnahme reinzuschneiden. Solche konstruierten Stilmittel hat „The Wall“ nicht nötig. Fokussiert in Szene gesetzt, abwechslungsreich im Spielprinzip und überraschend emotional. Bleibt RTL und EndemolShine Germany, respektive den verantwortlichen Executive Producern Christiane Hewel und Rüdiger Hennecke (RTL) sowie Fabian Tobias (EndemolShine Germany), einen Erfolg zu wünschen.

Es wäre vermessen zu behaupten, dass „The Wall“ das Rad der Fernsehunterhaltung neu erfinden würde. Aber im Einerlei der Primetime-Gameshows kommt man dem näher als viele andere Showideen der letzten Zeit.