Bleibt nur Clickbaiting übrig, wenn man Qualitätsjournalismus ausverkauft? Bei seinem Boulevard-Blatt „Express“ setzt das Kölner Verlagshaus DuMont inzwischen nicht mehr nur auf die dem Genre eigenen flotten Zeilen. Es geht offensichtlich auch unanständiger. Am Montagnachmittag veröffentlichte das Online-Angebot der Boulevard-Zeitung einen Artikel mit der Überschrift „‚Let’s dance‘: DAS sind die Tanzpaare 2017“.



Für Fans der erfolgreichen RTL-Show ist die Überschrift sehr vielversprechend, doch wer den Artikel aufruft, erlebt eine Ernüchterung. Am Ende eines belanglosen Kurz-Artikels steht: „Welche Kandidaten in diesem Jahr die Millionen TV-Zuschauer begeistern, ist leider noch nicht bekannt. Wir halten Sie darüber aber natürlich auf dem Laufenden.“ Zwischen Überschrift und dem Ende des kurzen Artikels liegt eine glatte Lüge.

Express© Screenshot


Während bei anderen Formen des Clickbaiting die interessanten Details einer Story nur in der Überschrift versteckt werden, um zum Aufruf der Artikelseite zu animieren, geht der „Express“ im Grunde einen konsequenten Schritt: Man spart sich die Inhalte gleich ganz. Die Absicht dieses Artikels ist allerdings leicht zu durchschauen. So handelt es sich wohl kaum um einen versehentlich freigeschalteten Artikel. Schließlich endet der Artikel ja mit dem Geständnis, noch nichts zu wissen.

Außerdem hätte man dies viel früher korrigieren können. Stattdessen wirkt es ganz so als hätte man hier mit sehr unlauteren Methoden frühzeitig Suchmaschinen-Optimierung betreiben wollen. Mit der knackigen Überschrift könnte sich der „Express“ frühzeitig ein gutes Ranking sichern, wenn dann tatsächlich die Kandidaten-Paare der neuen Staffel der erfolgreichen RTL-Show bestätigt werden.

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Auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de am Dienstagvormittag wurde der Artikel inzwischen offline genommen. Auf die Frage, ob dieser Artikel den journalistischen Standards des Hauses DuMont entspreche, teilte ein Sprecher am Dienstagmittag gegenüber DWDL.de mit: "Nein, das entspricht natürlich nicht den journalistischen Standards unseres Hauses. Leider ist uns da ein technischer Fehler unterlaufen, der Artikel sollte noch gar nicht veröffentlicht werden. Er diente lediglich als Maske, in der die Tanzpaare später ergänzt werden sollten."

Weiter heißt es in der Erklärung: "Erst wenn die Kandidaten feststehen, sollte der Text online gehen. Da der Express zurzeit ein Tool testet, das neu publizierte Artikel direkt bei Twitter veröffentlicht, gelangte der Artikel ebenfalls über diesen Kanal an die Öffentlichkeit. Wir entschuldigen uns für den Fehler." Dass dieser Fehler so lange unbemerkt blieb, kann man nun glauben oder auch nicht. Übrigens: Nach dem Wechsel von Ex-Chef Carsten Fiedler zum „Kölner Stadtanzeiger“ fehlt dem „Express“ seit dem Jahreswechsel ein Chefredakteur - und vielleicht ein bisschen mehr.