Herr Kalkofe, Herr Rütten, wie genau definiert sich ein "Kackstreifen"?

Kalkofe: Es gibt da 50 Shades of Shit. Das heißt, ein SchleFaZ-Scheißfilm muss schon einen gewissen Charme haben. Er darf beim Zuschauen körperlich und geistig wehtun – aber irgendwas daran bringt einen zum Lachen. Vielleicht war der Regisseur hochambitioniert, hat den Film dann aber mit vollem Karacho an die Wand gefahren. Weil er kein Geld hatte. Oder keine Ahnung. Oder beides.

Rütten: Viele Trash-Filme, die heute produziert werden, sind ganz genau kalkuliert. Da springt einem der Trash förmlich ins Gesicht. Es macht aber viel mehr Freude, die unschuldig Gescheiterten zu entdecken.

Wie muss ich mir Ihre Auswahlprozedur vorstellen? Sie haben einen Schlüssel zum Archiv von Herrn Kloiber und schließen sich dort einmal im Jahr zur Videoparty ein?

Kalkofe: In der ersten Staffel haben wir uns wirklich die Reste aus dem Archiv gesucht. Irgendwann war aber alles die gleiche Grütze. Damit wir uns nicht selbst wiederholen, brauchen wir Abwechslung: ein neues Genre, einen neuen Ansatzpunkt. Wir schreiben ja jedes Mal eine halbe Stunde Material an Kommentaren!

Rütten: Inzwischen werfen wir unsere Vorschläge in den Ring und der Sender versucht dann tapfer, die Lizenzen für die Filme zu ergattern. Manchmal klappt's nur halt nicht, zum Beispiel weil sich der Lizenzgeber nicht mehr auftreiben lässt.

Kalkofe: Oder gar nicht mehr will, dass der Film gezeigt wird. Wir hätten gerne "Herkules in New York" mit Arnold Schwarzenegger gehabt. Aber der hat sein Veto eingelegt: Der Film darf nicht mehr rausgerückt werden. So schnell geht uns der Stoff aber nicht aus. Unser Wunschzettel fürs nächste Jahr steht jedenfalls schon.

Sind Sie schon mal an einem ausgesuchten Film gescheitert?

Kalkofe: Ich war bei "Dracula jagt Frankenstein" mal kurz davor. Mir hat der Trailer so gut gefallen, dass der Sender den Film extra eingekauft hat. Ich hab ihn mir zuhause angesehen und gleich gemailt: Können wir den wieder zurückgeben? Der war so unfassbar langweilig! Da geht eine Mumie sechs Minuten schweigend durch Garagen, die eine Pyramide darstellen sollen ...

Rütten: Und der Vampir wird beim Masturbieren erwischt!

Kalkofe: Zurückgeben ging aber nicht mehr. Ich war erst wirklich verzweifelt. Am Ende hat es dann riesig Spaß gemacht, die Langeweile auszufüllen. Seitdem weiß ich: Wenn man will, kriegt man jeden SchleFaZ klein.

Rütten: Das ist ja jedes Mal der Besuch im Gehirn eines Regisseurs oder Produzenten, von dem man nicht immer vollständig gesund wieder zurückkehrt. An manchen Tagen spult man immer wieder zurück, schaut Szenen ständig nochmal an und kommt an den Rand der Fassungslosigkeit.

"Die Deutschen lerne gerade erst, Film-Trash zu feiern."

Oliver Kalkofe

In der neuen Staffel sind deutlich weniger Haie, Vampire und Fantasaurier dabei –ein Risiko?

Rütten: Ganz im Gegenteil! Wenn du dir einen Film aufrecht erarbeiten willst und alles genau gleich funktioniert, macht dich die atmosphärische Nivellierung irgendwann wahnsinnig. "Sharknado" hat uns zwar riesig Spaß bereitet ...

Kalkofe: Aber Teil vier kommentieren wir nicht mehr. Es ist ja alles erreicht: In Teil 3 haben wir selbst mitgespielt, da lässt sich schwer noch was draufsetzen. Platz für Monster ist aber immer, diesmal haben wir "Sharktopus vs. Pteracuda". Ein Hai mit Oktopusarmen ist sogar für uns noch was Neues. Außerdem sind jetzt viele deutsche Filme dabei, zum Auftakt gab's "Musik, Musik, da wackelt die Penne" mit Illja Richter. Es folgen noch: "Ich, ein Groupie" mit Ingrid Steeger und "Daniel der Zauberer" mit Daniel Küblböck, ein echtes Highlight! Für den Winter haben wir uns "Wenn die tollen Tanten kommen" mit Rudi Carrell und "Potato Fritz" mit Paul Breitner vorgenommen.

Würden Sie sagen, es gibt in Deutschland so etwas wie eine Trash-Kultur?

Kalkofe: Sie entwickelt sich.

Rütten: Im Fernsehen haben wir schon eine sehr aktive Trash-Kultur!

Kalkofe: Aber eine, die sich leider nicht selbst so begreift. Film-Trash zu feiern und damit Spaß zu haben, lernen wir in Deutschland gerade erst – anders als in die USA und Großbritannien, wo es diese Tradition schon lange gibt.

Ihre Alliterationsaffinität ist eine Art Abrechnung mit alarmierenden Ausschlägen armseliger Assiproduktionen, aber: Ist das dienstliche Draufhauen von dicklichen Dauerschimpfern mit dreistem Deklarationsdurchfall auf Dauer nicht dämlich destruktiv?

Kalkofe: Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung, zu testen, wieviele Worte ich in unserem Alliterations-Marathon hintereinander reihen kann, um die Kette noch länger zu machen. Falls Sie das meinen.

"Schlechtes Fernsehen unterscheidet sich ganz wesentlich von einem verunglückten Film."

Peter Rütten

Ich meine auch: Sie feiern schlechtes Kino und schimpfen auf schlechtes Fernsehen. Wo ist der Unterschied?

Rütten: Schlechte Filme, die wir sympathisch finden, sind – wie gesagt – von einer Vision getrieben oder hatten hohe Widerstände zu überwinden, um überhaupt gedreht zu werden. Das würde ich schlechtem Fernsehen generell absprechen. Ich glaube, es gibt da oft keine handwerkliche Demut der Verantwortlichen mehr. Die sind frei von Selbstzweifeln. Das unterscheidet schlechtes Fernsehen ganz wesentlich von einem verunglückten Film.

Kalkofe: Als ich in den Neunzigern mit der "Mattscheibe" anfing, gab es noch eine gewisse Naivität. RTL und Sat.1 wollten auf die Kacke hauen und zeigen, was Sie können. Heute ist es oft kalkulierter Dreck, der den Leuten vorgesetzt wird.

Scripted Reality ist doch in vielen Fällen genauso kalkulierter Trash, völlig überzogen, weit weg von der Realität.

Kalkofe: Aber böswillig kalkuliert! Scripted Reality in all ihren Formen hat nur ein einziges Ziel: billig zu sein und möglichst schnell abgedreht zu werden. Da sitzt niemand, der sich was dabei denkt und Spaß haben will.

"Das Fernsehen hat eine Verantwortung gegenüber denen, die nicht checken, was sie sehen."

Oliver Kalkofe

In der "Mattscheibe" kritisieren Sie die skrupellosen Typen von der Prouktion, die der dicken Frau sagen, sie solle so tun als sei sie fresssüchtig und geizig und deshalb in die Mülltonne steigen, um dort Reste zu fressen – aber dann kriegt's nicht der verantwortliche Redakteur ab, sondern die dicke Protagonistin, als die Sie sich verkleiden.

Kalkofe: Moment! Natürlich gehört es zur Idee des Formats, dass ich die Figuren aus den Sendungen nachspiele. Aber bei dem Beispiel, das Sie nennen, komme ich im Smoking ins Bild und unterhalte mich mit mir selbst als Frau in der Tonne. Und zwar darüber, wie sie verarscht wird. Ich kann natürlich den Redakteur dazu erfinden. Das ist aber scheiße! Die "Mattscheibe" soll witzig sein. Bei den Scripted-Szenen geht es aber immer auch darum, was das Fernsehen mit den Leuten macht!

Trotzdem ist die Käsefrau von RTL II bei Ihnen die "mehrfarbig behaarte weibliche Wanderdüne". Sie setzen die Leute, die Sie in Schutz nehmen wollen, erst recht dem Spott aus.

Kalkofe: Nein, nein! Die Käsefrau betreibt das quasi semiprofessionell und hat mit dem Sender eine ganze Reihe an Episoden gedreht. Wenn sich jemand in dieser Form auf das Spiel einlässt, darf ich mich über den auch lustig machen. Es ist aber etwas völlig anderes als wenn jemand vor der Kamera unwissend vorgeführt wird!

Sie sagen, das Publikum werde "professionell verarscht" – und sprechen denen, die das bewusst einschalten, damit ein Stück weit die Verantwortung dafür ab.

Kalkofe: Es gibt viele doofe Leute auf der Welt. Mein Punkt ist aber: Das Fernsehen hat eine Verantwortung gegenüber denen, die nicht checken, was sie da vorgesetzt kriegen! Die Macher wissen sehr genau, dass das, was sie senden, viele Zuschauer erreicht und prägt. Sie sagen aber: "Ist mir scheißegal, Hauptsache am Ende kommt gut Kohle raus." Mein Job ist es, sie an ihre Verantwortung zu erinnern. Oder mich über sie lustig zu machen, wenn ich weiß, dass es Profis sind.

"Ich will aber gar nicht immer zu Netflix fliehen!"

Peter Rütten

Es steht doch jedem Zuschauer frei, einfach zu Netflix oder Amazon zu wechseln, wenn er was Anderes sehen will.

Rütten: Ich will aber gar nicht immer zu Netflix fliehen! Ich zahle doch genauso Gebühren, finde im deutschen Fernsehen aber – mit wenigen Ausnahmen – fast nichts mehr, auf das ich mich wirklich freue.

Kalkofe: Das Problem ist: Routine lässt uns als Zuschauer im Kopf abstumpfen. Wir sehen den Stuss und glauben irgendwann, das sei normal. Ein hingeschissenes Format, das nicht richtig ausgeleuchtet ist, mies gespielt und voller Idioten wird zur Regel. Mein Grundgedanke war immer: Wie kann ich mich dafür rächen? Und wie kann ich daraus etwas Schönes machen? Wenn wir es schaffen, dass die Zuschauer sich zuhause zum SchleFaZ-Gucken treffen, verkleiden und Spaß an Filmen haben, die sie sonst nur anöden würden, ist das doch geil!

Die Kollegen, die sich um die SchleFaZ-Requisite kümmern, kennen vermutlich jede Kik-Filiale, um immer den richtigen hässlichen Pullover und die passende Perücke zu besorgen, oder?

Kalkofe: Das macht unser wunderbarer Kollege Ernst Kramer mit seinem Team. Der weiß tatsächlich ganz genau, in welchem Chinaladen, welchem Second-Hand-Shop und bei welchem Internet-Händler er fündig wird. Wenn wir zum Dreh kommen, ist das halbe Studio voll mit Schrott, den wir ausprobieren dürfen. Ein paar Requisiten hab ich mir auch schon fürs Büro geklaut. Das ist definitiv echte Leidenschaft!

"Die schlechtesten Filme aller Zeiten" laufen derzeit wieder freitags ab 22.15 Uhr bei Tele 5.