Weit mehr als 20 Millionen Zuschauer saßen am Mittwochabend alleine hierzulande vor dem Fernseher, um das EM-Spiel zwischen den Niederlanden und Deutschland zu sehen. Den Fans bleiben allerdings längst nicht nur die beiden Tore von Mario Gomez in Erinnerung, sondern auch eine Szene aus der 22. Minute. Was war passiert? Zu sehen ist Bundestrainer Joachim Löw, der einem Balljungen von hinten den Ball stibizt - eine lustige, weil äußerst kuriose Szene, die sich noch dazu im Internet rasant verbreitet.

Von ZDF-Reporter Michael Steinbrecher nach dem Spiel darauf angesprochen, gab sich Löw allerdings zunächst verwundert. "Das war irgendwie vor dem Spiel", sagte Löw, was Steinbrecher offenbar als Scherz verstand. "Nee, nee, da stand es 0:0", so der Reporter. Weitere Beachtung fand Löws Aussage über seinen Balljungen-Streich danach zunächst nicht mehr. Doch nun kommt heraus: Die Szene fand tatsächlich bereits einigen Minuten vor Spielbeginn statt und wurde in die Live-Bilder eingefügt, sodass der Eindruck entstand, Löw habe den Balljungen während des Spiels gefoppt.

"Diese Szene fand circa 15 bis 20 Minuten vor dem Spiel statt", teilte die Uefa nun gegenüber "stern.de" mit. "Offensichtlich wurde es von der TV Produktion erst während des Spiels gezeigt." Beim ZDF betonte man, die Wahl der Bilder nicht steuern zu können. "Wir haben bei der Uefa moniert, dass tatsächlich der Anschein erweckt wurde, es handele sich um Live-Bilder", sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. "Das entspricht nicht unseren journalistischen Standards. Wir erwarten von der Uefa, dass sie uns künftig darauf hinweist, ob sie während einer Live-Übertragung aufgezeichnetes Material verwendet."

Inzwischen kritisierte auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) das Vorgehen. "Die Öffentlichkeit hat über die Gebührenzahler hinaus Anspruch auf eine authentische Berichterstattung und Aufklärung darüber, ob es tatsächlich manipulierte Bilder gegeben hat", sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Jörg Schönenborn, ARD-Teamchef Fernsehen für EM sowie WDR-Chefredakteur Fernsehen, betonte dagegen: "Die Kritik an der Uefa insgesamt ist überzogen, wir arbeiten mit ihr sehr gut zusammen. Natürlich wäre für uns jede Form von Zensur oder Manipulation nicht tragbar. Gerade deshalb haben wir gegenüber der Uefa sehr deutlich gemacht, dass das deutsche Publikum erwartet, dass live drin ist, wenn live drauf steht. Live ist live und muss live bleiben."

Eine andere Szene war am Mittwochabend dagegen nicht zu sehen: Dass zwei Abgeordneten der Grünen auf einem Plakat die Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine anprangerten, fand von der Regie keinerlei Beachtung. Kommentator Béla Réthy machte die Zuschauer während seiner Live-Reportage aber dennoch darauf aufmerksam.

Nachtrag 15:06 Uhr: Äußerungen von Konken und Schönenborn hinzugefügt.